Eine Eule kommt selten allein
Rückweg zur Kombüse konnte Peter bequem Svensons Becher ausspülen, er brauchte ihn nur in den Regen zu halten. Winifred saß wie eine echte Lady am Kombüsentisch und war damit beschäftigt, ihre Suppe zu verspeisen. Sie hatte auch für ihn gedeckt und eine kleine Reling am Tischrand improvisiert, damit die Sachen nicht herunterrutschten.
»Na, Peter, was macht unser verwegener Kapitän?«
»Immer noch verwegen und bestens bei Stimme. Er scheint trotz allem einen Riesenspaß zu haben. Er will noch Suppe, aber zuerst werde ich meine eigene essen. Meine Güte, das schmeckt aber gut!«
»Erstaunlicherweise«, stimmte Winifred zu. »Meine Tante hat immer gesagt, Hunger sei der beste Koch. Ich habe versucht, mich zu erinnern, wann genau ich zuletzt gegessen habe, es war wirklich ein langer Tag. Wenn wir mit Spülen fertig sind, würde ich mich gern ein Weilchen hinlegen. Die Bänke in der großen Kajüte-der Fachterminus ist, glaube ich, Salon - lassen sich zu Kojen umfunktionieren. Wenn Sie mögen, können Sie sich auch als erster aufs Ohr legen. Einer von uns sollte wohl besser Wache halten, aber wir können ja abwechselnd schlafen.«
»Uns abwechselnd durchrütteln lassen, meinen Sie wohl.«
Das Boot machte wieder sonderbare Bewegungen: Es ruckte, zitterte und schoß plötzlich nach vorn, als habe ihm eine unsichtbare Riesenhand einen Stoß versetzt. Waren die Seepferde mit dem Präsidenten durchgegangen, ließ er etwa den Motor auf vollen Touren laufen? Nein, Svenson war viel zu vernünftig, um in ihrer Situation ein solches Kunststück zu machen. Peter trank rasch den Rest seiner Suppe, bevor sie aus dem Becher schwappte.
»Ich möchte Sie nicht beunruhigen, Winifred« - er mußte schreien, um die Hölle, die um sie herum losbrach, übertönen zu können -, »aber ich befürchte, der Damm von Upper Clavaton ist soeben gebrochen.«
»Würde mich nicht wundern.«
Irgendwie schaffte es Miss Binks, keinen Tropfen Tee zu verschütten und sogar hin und wieder, wenn die Möglichkeit bestand, die Tasse gefahrlos in Mundnähe zu manövrieren, ohne dabei gegen die Nase zu schlagen, vornehm daran zu nippen.
»Die Strömung ist erstaunlich stark, ich komme mir vor wie bei einer Wildwasserfahrt mit einem Kanu. Jedenfalls stelle ich mir eine Wildwasserfahrt so vor. Ich hatte leider noch nie das Vergnügen, obwohl ich es schon immer einmal ausprobieren wollte. Meinen Sie, Präsident Svenson würde sich freuen, wenn wir ihm unsere Hilfe beim Steuern anböten?«
Der Teekessel schoß durch die Luft, aber Peter fing ihn geschickt auf.
»Nein, ich glaube, daß wir ihn damit eher beleidigen würden. Vermutlich wartet er auf seine Suppe, aber ich habe Angst, den Herd wieder anzumachen. Er könnte sich von der Wand lösen und das Boot in Brand setzen.«
»Dann warten wir einfach, bis sich die Lage wieder beruhigt hat. Ich nehme an, daß die Strömung schwächer werden wird, wenn der Druck nachläßt, den die plötzlich austretenden Wassermassen verursacht haben, meinen Sie nicht?«
»Das will ich verdammt noch mal hoffen. Ungedämmt, sollte ich wohl sagen. Entschuldigen Sie bitte, Winifred.«
»Also wirklich, Peter, nun stellen Sie sich doch nicht so an! Die Tatsache, daß man mich einige Stunden lang entführt hat, bedeutet doch nicht gleich, daß ich keine emanzipierte Frau mehr bin, oder? Auch wenn ich immer noch nicht weiß, warum man mich entführt hat.«
»Ich würde sagen, das liegt eigentlich auf der Hand.«
»Um an Großvaters Geld zu kommen? Nun ja, höchstwahrscheinlich, aber gerade das will mir nicht in den Kopf. Warum haben die Entführer so lange gewartet? Inzwischen
habe ich doch eine Menge Geld in die Forschungsstation gesteckt. Wäre es nicht sehr viel logischer gewesen, mich sofort zu kidnappen, als sich herausstellte, daß ich die rechtmäßige Erbin des Vermögens war? Es hat weiß Gott genug darüber in den Zeitungen gestanden«, fügte Winifred bitter hinzu.
»Das stimmt allerdings«, sagte Peter. »Und als Sie Ihre Pläne für das College dargelegt haben, stand noch mehr drin, was natürlich nur recht und billig war.«
Aus den Zeitungsberichten hatten viele Leser entnommen, daß sie ihr gesamtes Vermögen dem Balaclava College übertragen hatte. Im Grunde traf dies sogar zu. Soweit Peter wußte, war das College der einzige Begünstigte.
»Aber die Zahlen, die so skrupellos an die Öffentlichkeit gezerrt wurden, basierten auf den Angaben, die überall zu lesen waren, als die Presse sich über
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