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Eine Eule kommt selten allein

Titel: Eine Eule kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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mich nicht erinnern, aber das würde doch eigentlich auch nichts beweisen, oder? Manche Männer haben einen weniger starken Bartwuchs als andere, andererseits gibt es Frauen, die
    wiederum ziemlich behaart sind. Meine Tante besaß beispielsweise im Alter einen kleinen Schnurrbart. Außerdem hätte sich Fanshaw sowieso rasiert, als er sein Schleppkahn-Annie-Kostüm angezogen hat, meinen Sie nicht? Auf den Namen Annie Brennan habe ich übrigens keinen Paß gefunden, aber die Gute hätte sicher auch wenig Lust verspürt, ins Ausland zu reisen, sollte man meinen. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, daß er mit der >Lollipop< den ganzen Weg bis nach Seattle hochgeschippert wäre. Sie vielleicht?«
    »Nein, aber Svenson ist da möglicherweise anderer Meinung. Vielleicht wird uns eh nichts anderes übrigbleiben als Meuterei, wenn sich sein Wikingerblut nicht wieder beruhigt oder uns der Treibstoff ausgeht. Glauben Sie, es wird je wieder Tag?«
    »Die Erfahrung spricht dafür«, sagte Winifred. »Ich frage mich allerdings, ob der Regen je wieder aufhören wird.«
    »Er schien schon ein wenig schwächer geworden zu sein, als ich eben auf Deck war«, konnte Peter sie beruhigen. »Ich kann mich vage erinnern, daß Bulfinch uns in der Station erzählt hat, der Sturm würde sich irgendwann morgen aufs Meer verziehen. Da fällt mir ein, es ist ja schon morgen! Oder sollte es zumindest sein. Sie tragen nicht zufällig eine Armbanduhr? Ich habe meine vergessen.«
    »Im Notfall könnte ich die Zeit auch mit Hilfe der Sterne bestimmen, dazu müßte ich sie allerdings sehen. Ich nehme an, es ist etwa zwischen halb drei und drei Uhr. Und ich habe immer noch kein Schläfchen gehalten! Vielleicht werde ich mich jetzt ein bißchen aufs Ohr legen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    »Das sollten Sie unbedingt. Gibt es hier irgendwo Decken?« Peter hatte nicht gewagt, den Gasherd in der Kombüse länger anzulassen, als unbedingt nötig war, um das Wasser zu kochen und die Suppe zu erhitzen; inzwischen war die Kälte in die Kajüte zurückgekrochen.
    »Ja, es gibt Decken genug, aber wann sie zuletzt gewaschen worden sind, weiß der Himmel. Aber egal, ich habe während meiner Zeit im Walde schon auf Schlimmerem gelegen.«
    Winifred legte sich auf die Bank, unter der sie Fanshaws Ausweissammlung gefunden hatte und deckte sich mit einer der Decken zu. Sekunden später hörte Peter sie bereits gleichmäßig und tief atmen, mit einem Lächeln auf ihrem Gesicht. Peter betrachtete sie nachdenklich, griff sich eine der nach Tabak stinkenden Decken und streckte sich auf der Bank gegenüber aus. Als er die Augen wieder öffnete, war aus dem Tosen des Windes ein leises Jammern geworden. Er zog den Vorhang auf, der Regen hatte fast gänzlich aufgehört, und der Himmel war nicht mehr verwaschen schwarz, sondern mittelgrau. Er sprang auf Deck und eilte zum Lotsenhäuschen.
    »Präsident, sind Sie -«
    »Kaffee?«
    »Eh - ja gleich. Liegt sie noch auf Kurs?« »Urrgh!«
    »Aye, aye, Sir. Bin gleich zurück.«
    Peter begab sich hurtig nach unten, füllte den Wasserkessel und zündete den Gasherd an. Er öffnete eine Büchse mit etwas Eßbarem, was genau, konnte er nicht sagen - Corned Beef oder eine annehmbare Imitation, vermutete er - und legte dicke Scheiben davon zwischen den Schiffszwieback. Sobald das Wasser zu dampfen begann, goß er zwei Becher Instantkaffee auf, extra stark, und eilte zurück zum Lotsenhäuschen, um das Frühstück, wenn man es denn so nennen wollte, zu servieren.
    »Können wir uns jetzt unterhalten, Präsident?«
    »Nein.«
    Svenson machte sich über das Fleisch und den Zwieback her wie ein ausgehungerter Wolf. Peter nippte vorsichtig an seinem Kaffee und beschloß, sich ebenfalls ein paar Krümelchen zu sichern, solange es noch etwas gab.
    Er konnte sich nirgendwo hinsetzen, also blieb er stehen und schaute durch das regennasse Fenster hinaus. Alles war grau, graues Wasser, grauer Himmel, Svensons graues Flanellhemd, sein eisgraues Haar, das ihm an der Stirn klebte - weil es so feucht war, weil er so schwitzte oder beides -, die grauen Stoppeln auf seinen Wangen, sein vor Erschöpfung graues Kinn.
    »Mein Gott, Präsident«, rief er, »Sie sehen aus wie der Fliegende Holländer persönlich. Soll ich für Sie weitermachen? Dann könnten Sie ein bißchen nach unten gehen und sich ausstrecken.«
    »Kaffee!«
    »Hier, nehmen Sie meinen. Ich mache neuen.« Er nahm Svensons leeren Becher, gab ihm dafür seinen eigenen und stieg ein

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