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Eine Eule kommt selten allein

Titel: Eine Eule kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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Clavaclammer?
    Donnerstag hatte er zum letzten Mal normal geschlafen, daran konnte er sich genau erinnern. Freitag früh war er in Topform gewesen, danach hatte er sein übliches Tagespensum mit Bravour bewältigt und sich schon auf die kurze Nacht mit den Eulen gefreut. Er hatte ein herzhaftes Abendessen zu sich genommen und sich voll Tatendrang auf den Weg gemacht, haargenau wie während der letzten zwanzig Oktober, Klemmappe gezückt, Fernglas einsatzbereit, mit der festen Absicht, kein einziges Exemplar der Gattung Strigiformes in seinem Zählbereich unregistriert zu lassen.
    Als Junggeselle war Peter Shandy ein zwanghafter Zähler gewesen, doch inzwischen verfügte er über zahlreiche andere Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Bis zu jener Freitagnacht hatte er allerdings immer eine heimliche Genugtuung dabei empfunden, wenn er ein hübsches Sümmchen zusammenzählen konnte. Heute jedoch hatte er das deprimierende Endzeitgefühl, eine Eule zuviel gezählt zu haben.
    Peter wußte immer noch nicht, wie der Trick mit dem weißen Federbündel funktioniert hatte. Er glaubte zwar nicht, daß dies sonderlich wichtig war, höchstwahrscheinlich war es ihm sogar ziemlich egal, sonst hätte er längst etwas zur Klärung unternommen. Der starke Regen hatte inzwischen sicher sowieso alle Spuren, die es vielleicht einmal gegeben hatte, fortgewaschen. Als er dies Winifred mitteilte, gab sie ihm recht.
    »Es würde sowieso nichts ändern. Selbst wenn wir wüßten, wie sie den Eulentrick angestellt haben, würde das Mr. Emmerick nicht wieder zum Leben erwecken. Womit ich nicht sagen will, daß ich ihn vermisse, auch wenn das noch so schrecklich klingt. Selbst dieser Mann hat bestimmt irgend jemandem etwas bedeutet. Es beunruhigt mich allerdings ein wenig, daß wir immer noch nicht wissen, wer er wirklich war.«
    »Falls die Polizei es inzwischen nicht herausgefunden hat, kann es nur eine Frage der Zeit sein.«
    »Ganz bestimmt! Sie sind mir ein echter Trost, Peter.«
    Winifred schwieg. Peter war sich ihres Schweigens bewußt, denn es war so beredt, daß man es schwerlich überhören konnte. Es stand so deutlich im Raum, daß man es regelrecht packen und in einer Kiste verstauen konnte. Da er nicht wußte, was er sagen sollte, wartete er.
    »Peter«, sagte Winifred, nachdem sie ausreichend geschwiegen hatte. »Vielleicht halten Sie mich für naiv, wenn ich eine so dumme Frage stelle, aber ist Ihnen auch aufgefallen, daß sich Bill und Dodie, von dem herzlichen Empfang, den sie uns bereitet haben, einmal abgesehen, ziemlich zurückhaltend verhalten haben? Während
    unseres kleinen Gesprächs hatte ich immer wieder das merkwürdige Gefühl, daß das, was sie sagten, nicht dem entsprach, was sie dachten. Nicht daß ich sie für falsch oder heuchlerisch halte, aber irgendwie - ich weiß auch nicht. Sagen Sie mir bitte, daß ich mir das alles nur einbilde.«
    »Mir ist es ganz genauso gegangen. Ich habe mir schon überlegt, wie ich es Ihnen am taktvollsten beibringen könnte.«
    »Warum sollten Sie taktvoll zu mir sein? Ich dachte, wir sind Kollegen?«
    »Meiner Meinung nach sollte man den Menschen gegenüber, die einem am nächsten sind, ganz besonders taktvoll sein. Wenn Sie wirklich wissen wollen, was ich über die Compotes denke, würde ich sagen, daß sie völlig durcheinander waren. Immerhin sind wir plötzlich unangemeldet hereingeschneit und haben Elvira in Rage versetzt, und dann haben Sie ihnen vollkommen unerwartet den Vorschlag gemacht, sie als gleichberechtigte Partner zu behandeln und ihnen die finanziellen Mittel zufließen zu lassen, auf die sie seit Jahren vergeblich gehofft haben, und schließlich flatterte ihnen auch noch dieser verrückte Brief von Debenham ins Haus. Da die beiden bisher nur mit Ihrem Großvater zu tun hatten, konnte ich mir den Gedanken nicht verkneifen, daß sie vielleicht befürchten, daß Sie-eh-«
    »Daß ich genauso ein verrückter Vogel bin? Das kann man ihnen kaum verdenken, oder? Nun ja, ich nehme an, es wird nicht schwer sein, Bill und Dodie davon zu überzeugen, daß wir Binks zwar gelegentlich ein wenig verrückt sind, aber daß man sich auf unser Wort und unser Geld verlassen kann. Natürlich haben sie sich über den Brief aufgeregt, mir ist es ja genauso gegangen. Ich kann einfach nicht glauben, daß Mr. Debenham nach all den Jahren so etwas...«
    Winifred schüttelte wütend den Kopf und putzte sich mit einem von Dodies Taschentüchern die Nase. »Ich muß mich auf jeden Fall

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