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Eine Eule kommt selten allein

Titel: Eine Eule kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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hatte, würde er Glück haben, wenn man ihm nicht auf der Stelle seine Lizenz entzog.
    Peter hatte Debenham für einen anständigen, vernünftigen Mann gehalten. War dieser Mensch tatsächlich dumm genug gewesen, sich von Schurken wie Emmerick und Fanshaw einwickeln zu lassen? War es ihnen gelungen, ihn davon zu überzeugen, daß Winifred einen furchtbaren Fehler beging, wenn sie die Compotes rückhaltlos unterstützte? Oder glaubte er etwa in seinem Wahn, sie vor ihrer eigenen Torheit schützen zu müssen? Oder hatte er neue, negative Informationen über Golden Apples in Erfahrung gebracht, die er ihr bisher nur noch nicht hatte mitteilen können? War dies der Grund für seine dringenden Anrufe gewesen?
    Peter fiel ein anderer Grund ein, der zwar etwas weit hergeholt, aber immerhin möglich war. Wenn Debenham von Winifreds Entführung gewußt hatte, hingegen nicht wußte, daß sie ihren Entführern entkommen war, hatte er vielleicht mit seinen Anrufen nur vortäuschen wollen, daß er von ihrem Verschwinden keine Ahnung hatte.
    Der Moment der Wahrheit stand jedenfalls unmittelbar bevor. Winifred rückte ihren Hut zurecht, betupfte sich die Lippen mit einem blaßrosa Pflegestift und fuhr sich zu guter Letzt mit einer Puderquaste über die Nase. Grundgütiger, sie ging wirklich aufs Ganze. Er hielt sich respektvoll ein bis zwei Schritte hinter ihr, als sie in das Büro des Anwalts rauschte, kampfbereit und auf alles gefaßt.
    Im Vorzimmer saß ein junger Büroangestellter und suchte juristische Präzedenzfälle in dicken Wälzern. Obwohl sie im Zustand höchster Erregung war, vergaß Winifred ihre guten Manieren nicht.
    »Guten Tag, Frank. Sie brauchen nicht aufzustehen, ich werde mich selbst anmelden.«
    Doch das war gar nicht nötig. Der Anwalt stürzte ihnen bereits entgegen, sein Gesicht strahlte vor Freude.
    »Miss Binks! Kommen Sie doch herein! Was bin ich froh, Sie zu sehen! Aber Sie hätten wirklich nicht eigens herzukommen brauchen, ich hätte doch zu Ihnen kommen können.«
    Winifred erwiderte nichts. Peter nahm an, daß sie dazu momentan gar nicht in der Lage war. Sie eilte in Debenhams Büro und nahm Kurs auf den Stuhl direkt vor seinem Schreibtisch. Dies war zweifellos ihr besonderer Stammplatz. Da sie ihm zuvorgekommen war und sich bereits gesetzt hatte, ohne seine Aufforderung abzuwarten, gab sich Debenham notgedrungen damit zufrieden, noch einen zweiten Stuhl für Peter zu holen. Dann begab er sich hinter den Schreibtisch und setzte sich auf seinen Drehstuhl, er wirkte etwas beunruhigt und hatte auch allen Grund dazu.
    »Wie schön, daß Sie gekommen sind«, fing er überflüssigerweise wieder an. »Wir müssen uns unbedingt darüber unterhalten -«
    Inzwischen hatte sich Winifred wieder unter Kontrolle. Sie hatte ihre Handtasche geöffnet und hielt das fatale Schreiben bereits in der Hand. »Ich weiß sehr wohl, worüber wir uns unterhalten müssen«, unterbrach sie ihn. »Professor Shandy und ich waren zufällig heute morgen bei den Compotes, als deren Post kam. Mr. Debenham, können Sie mir erklären, warum Sie diesen ungeheuerlichen Brief verfaßt haben?«
    Mit einer stolzen Bewegung ihrer blaubehandschuhten Hand reichte sie ihm das Schreiben über den Schreibtisch. Mr. Debenham griff nach seiner Lesebrille, rückte sie mühsam zurecht und überflog den Brief. Seine Kinnlade fiel herunter. Er riß sich die Brille von der Nase, rieb sie wie wild an seiner Krawatte, setzte sie sich wieder auf und las das Schreiben erneut.
    »Um Himmels willen! Miss Binks, Sie glauben doch hoffentlich nicht, daß ich das geschrieben habe?«
    »Wenn Sie es nicht waren, wer war es dann?«
    Er öffnete die oberste Schreibtischschublade und nahm einen leeren Bogen Schreibpapier mit aufgedrucktem Briefkopf heraus. »Dies ist mein offizielles Briefpapier, das ich bereits seit siebenunddreißig Jahren benutze. Wären Sie so nett, mit dem Finger über die Schrift zu fahren und mir dann zu sagen, was Sie fühlen? Tun Sie es doch bitte einmal.«
    Nach anfänglichem Zögern zog Winifred ihren rechten Handschuh aus und fuhr mit einer Fingerkuppe vorsichtig über den Briefkopf. »Ich fühle viele kleine Unebenheiten.«
    »Genau. Gestochen, das heißt, die Schrift ist erhaben. Und jetzt sind Sie bitte so nett und berühren die Schrift auf dem Blatt, das Sie mitgebracht haben.«
    Winifred folgte seiner Anweisung, diesmal weniger zögerlich. Schließlich überzog ein unendlich erleichtertes Lächeln ihr Gesicht. »Keine

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