Eine fabelhafte Liebesgeschichte (German Edition)
zu kochen. Sehr kleinlich schmiss er alle Zutaten exakt nach Rezept in den Topf. Es lief alles gut und die kochende Brühe roch auch sehr lecker. Der letzte Satz des Rezepts verlangte 6cl Kirschwasser zuzugeben. Leider hatte er keine Ahnung was Kirschwasser sein sollte und cl brachte er nur mit der Champions League in Verbindung. Er blickte verdutzt die Flasche an, auf der einige leckere Kirschen zu sehen waren.
„Eigentlich mag ich Kirschen. Doch wie viel sind 6cl?“ dachte sich der Tiger, dessen Wortschatz nur Milliliter und Liter umfasste.
„Wahrscheinlich ist es etwa dazwischen. Centi heißt 100 hat mir meine Mathelehrerin einst erklärt.“ dachte er sich und goss 600 ml des Kirschwassers in die gelbe Substanz.
Allein der Geruch machte ihn nach wenigen Minuten betrunken. Noch bevor er sein Missgeschick erkannte, fing der Raum plötzlich an sich um ihn zu drehen. Als die Maus zum Essen kam lag der Tiger schlafend neben dem Kochtopf. Ein Blick in die leere Flasche Kirschwasser genügte, um die Maus minutenlang zum Lachen zu bringen. Doch dies war nur eine einmalige Ausnahme. Die „betrunkene Fondue Geschichte“ wie sie die Maus oft nannte, musste sich der Tiger noch einige Male anhören. Sehr oft klappten aber die erlernten Rezepte ohne Probleme.
„Es hätte ja auch wirklich jedem passieren können.“ dachte er sich.
Auch der Wortschatz des Tigers vergrößerte sich dank der Maus. Das schöne Wort Altruismus befindet sich nun in seinem Sprachgebrauch. Dieses Wort klingt als wäre es aus dem Jargon irgendeines promovierten Professor Doktor Doktor. Jedoch ist die Bedeutung dieses Wortes mit seinem Gegenteil am besten zu erklären. Altruismus ist nämlich das Gegenteil von Egoismus, obwohl Egoismus nicht nur als Wort viel weiter verbreitet ist. Der Tiger hat dieses Wort nachgeschlagen, weil die Maus voll von Altruismus ist. Seltsamerweise wird sein Gegenteil Egoismus viel häufiger verwendet und angewandt. Wie dieses Wort ist auch die Maus im großen Reich der Tiere eine Seltenheit. Der Tiger hatte noch nie ein so uneigennütziges Tier getroffen. Sie denkt immer zuerst an alle anderen.
Auf dem Papier viel jünger als der Tiger, doch in einigen Dingen allen weit voraus.
Ein weiterer Zettel aus der Behausung der Maus kam ihm in den Sinn:
Familienwirrung
Wie jedes Jahr trafen sich auch in diesem Jahr alle Familienmitglieder des Tigers am Rhein zum Grillen. Man könnte dieses Fest als letzte Institution der Familie bezeichnen. Als die Kinder noch klein waren, wurde jeder Geburtstag im großen Kreise gefeiert- fast jede Gelegenheit genutzt, um mal wieder beisammen zu sein. Irgendwann wurden die Kinder erwachsen und der Kontakt nur noch aus Gewohnheit gepflegt. Die Familie war riesig. Unter einigen Tieren war sie sogar eher ein Clan, als eine Familie. Beim Blick auf deren Wohlstand und Besitztümer ist diese Beschreibung sehr passend. Sie hebt sich etwas von den meisten anderen ab. Der Tiger fühlte sich deshalb auch verpflichtet, die Maus etwas aufzuklären.
„Mach dich auf etwas gefasst. Meine Familie ist sehr speziell und ich mag sie deshalb nicht besonders!“ sagte der Tiger.
„Wow, das hört sich aber ernst an!“
„Versuch dem Elefant nicht zu widersprechen. Und sie reden meistens nur über Geld und gelegentlich über Sport.“
„Da hab ich immerhin eine Sache zum Mitreden.“
„In ihrer Welt ist Sport eine durch und durch männliche Angelegenheit, Mäuschen!“
Der Tiger war das erste Mal in weiblicher Begleitung beim „Familien Fest am Rhein“. Und er wusste genau was ihn erwarten würde: Dutzende alternde Omas, die das Paar auf Schritt und Tritt beobachteten. Klar! Schließlich ist die neue Freundin eine potenzielle „Neufamileieneintreterin“. Die Vorstellung seine engstirnigen Verwandten zu sehen, war dagegen weniger schlimm. Am meisten fürchtete er sich vor seinem Bruder, mit dem er schon immer ein sehr schwieriges Verhältnis hatte. Der Panther war der Jüngere, was ihn nicht davon abhielt sich in allen Belangen überlegen zu fühlen. Alles, was der Tiger machte, versuchte er zu kopieren und ihn anschließend zu schlagen. In den meisten Fällen gelang es ihm auch. Diese Beschreibung passt wohl auf die meisten Geschwister, jedoch war es bei Raubkatzen von Natur aus wesentlich dramatischer.
Das Fest fand direkt am Rhein statt. Brav gab der Tiger jedem die Hand, stellte seine Maus vor und redete irgendwas über das Wetter. Es war ein sehr schöner Wintertag, über den es
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