Eine Familie für Julianne
denken, der Nächste wäre … na ja, nur ein Ersatz für Gil.“
„Sie machen Witze, oder? Glauben Sie wirklich, dass es jetzt für Sie vorbei ist? Dass Sie keine zweite Chance bekommen?“
Obwohl er eher ungläubig als vorwurfsvoll klang, ärgerte sich Julianne, dass sie sich vor ihm rechtfertigen musste.
„Nein, ich glaube nicht an zweite Chancen. Für manche Menschen funktioniert das vielleicht, aber nicht für mich. Für meinen Vater auch nicht. Nach Moms Tod gab es zwar mal eine Zeit lang eine andere Frau, aber es ist nichts daraus geworden.“
„Wow“, sagte Kevin. „Das muss schon etwas Besonderes sein, jemanden so sehr zu lieben.“
„Sie haben das dann wohl noch nicht erlebt?“
„Nein. Ich habe es oft bei anderen gesehen, aber mich hat die Liebe noch nie so erwischt.“
Dann fiel sein Blick auf Pippa, und er fügte leise hinzu: „Das nehme ich zurück. Ich hatte keine Ahnung, dass ich einen Menschen so schnell so unendlich lieben könnte.“ Schmerzlich verzog er den Mund. „Da habe ich jahrelang mit Drogen und Alkohol versucht, diesen wunderbaren Kick zu erzeugen … Wer hätte gedacht, dass ein Lächeln meines Kindes mir tausendmal mehr gibt, als es die stärkste Droge je könnte.“
Überrascht und berührt von seiner Offenheit, starrte Julianne ihn an, doch dann begann Pippa zu quengeln. Als sie sich zu dem Kind hinüberbeugte, merkte sie, dass Pippa den Rest ihres Hamburgers fixierte.
„Meiner“, sagte Julianne. Als Kevin lachte, fügte sie hinzu: „Warum lachen Sie?“
„Nur so.“
Julianne schnitt sich einen weiteren großen Bissen ab. „Vielleicht warten wir damit, ihr Hamburger zu geben, bis sie wenigstens Zähne hat?“
Grinsend aß Kevin seinen Teller leer, stand dann auf und nahm Pippa auf den Arm. „Na gut. Aber ich wette, dass wir ihr mit Babyflocken eine Riesenfreude machen.“
Dann fing er an, mit dem Kind auf dem Arm herumzutanzen, was bei ihm aussah, als wolle er ein Feuer austreten. Barfuß. Dazu summte er eine Hip-Hop-Nummer, die er offenbar gerade erfand. Kevin wirkte völlig albern, aber das schien ihn überhaupt nicht zu stören.
Julianne beneidete ihn darum, dass ihm noch niemand das Herz gebrochen hatte. Dass er die eine, große Liebe noch vor sich hatte. Dass er einmal für eine Frau empfinden würde, was sie für Gil empfunden hatte. Und sie wünschte ihm, dass diejenige seine Gefühle dann auch erwiderte und dass sie bis an ihr Lebensende glücklich miteinander sein könnten.
Sie schüttelte den Kopf, um diese romantischen Anwandlungen zu vertreiben. Und musste lachen, als sie Pippas große Augen sah, die anscheinend angestrengt überlegte, was um alles in der Welt dieser seltsame Mann da machte. Doch dann hüpfte Kevin dreimal hintereinander hoch, und sie quiekte vor Freude, und Kevin lächelte sie an, als hätte sie ihm das schönste Geschenk auf Erden gemacht.
Unglaublich, wie gut er mit der Kleinen umging. Als hätte er nie etwas anderes getan.
Tränen stiegen Julianne in die Augen, als sie daran dachte, wie sie Gil von ihrer Schwangerschaft erzählt hatte. Auch er hatte damals so ausgesehen – ehrfürchtig, zärtlich und unendlich glücklich.
Pippa hatte inzwischen auf Kevins T-Shirt einen Fleck Hamburgerfett entdeckt, schloss selig die kleine Faust darum und steckte den Stoff in den Mund. Als Kevin Julianne vielsagend ansah, seufzte sie.
„Na gut, ich rufe morgen gleich den Kinderarzt an. Ach, da bist du ja“, fuhr sie fort, als ihr Vater auf die Terrasse trat. Er wedelte mit seinem Handy.
„Meine Agentin. Sie fragt, ob ich Lust hätte, die Eröffnungsrede bei einem Kongress von Familientherapeuten zu halten. Auf Hawaii. In zwei Wochen.“
Julianne runzelte die Stirn. „Das ist ein bisschen kurzfristig, oder? Zumal du im Moment gar nicht arbeitest?“
„Ja, stimmt. Aber der vorgesehene Redner hat abgesagt, und sie wollen unbedingt mich als Ersatz. Sagt zumindest meine Agentin. Deshalb dachte sie, sie fragt mal an.“
„Und, fährst du?“, fragte Julianne. Um sie dann hier mit Kevin ganz allein zu lassen?
„Ich habe ihr gesagt, dass ich mich bis morgen entscheide. Es wäre nur für ein paar Tage. Aber wenn es dir lieber ist, wenn ich hierbleibe …“
„Nein, natürlich musst du fahren“, antwortete sie fest. „Pippa und ich kommen schon zurecht.“
Als Kevin sich räusperte, fügte sie hinzu: „Und außerdem ist ja Kevin hier.“
Ihr Vater brummte etwas, aber sie verstand nicht, was.
„Wo willst du denn hin?“, rief
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