Eine Familie für Julianne
Felix durch die Werkstatt.
„Bei uns an der Ostküste haben wir so einen seltsamen Brauch“, erwiderte Kevin. „Man nennt ihn Mittagspause.“ Er grinste.
Felix winkte ab, stand aber von seinem Platz an der Fabriknähmaschine auf und ging zum Kühlschrank.
„Setz dich wieder hin“, befahl er Kevin und kam mit einer fettfleckigen braunen Papiertüte zurück. „Lupa hat Burritos gemacht.“
Er schob die fast armdicken Tortillawickel auf einem Pappteller in die Mikrowelle, und ein paar Minuten später saßen sie an einem wackeligen Holztisch beim Essen.
„Du warst gestern schnell verschwunden“, sagte Felix kauend.
„Tut mir leid.“ Kevin gähnte. „Pippa scheint zu zahnen, jedenfalls ist sie in den letzten Tagen extrem quengelig. Ich wollte Julianne nicht mit ihr allein lassen, nachdem ich schon den ganzen Tag weg war.“
„Du siehst ziemlich fertig aus. Es läuft wohl nicht so gut?“
Kevin nickte erschöpft. Fertig war gar kein Ausdruck. Sein kleines Mädchen konnte ein unglaubliches Geschrei veranstalten, und zwar mit Vorliebe nachts. Dadurch bekam er nach seinem anstrengenden Job in der Polsterwerkstatt lange nicht so viel Schlaf, wie er sich gewünscht hätte.
Dann lachte er. „Wie man’s nimmt. Pippas Großvater scheint es jedenfalls zu beeindrucken, dass ich mich nicht drücke.“
„Dem musst du doch nichts beweisen. Immerhin steht jetzt fest, dass du Pippas Vater bist, er kann dir also gar nichts anhaben.“
Es stimmte, seit die Vaterschaft durch den DNA-Test eindeutig geklärt war, fühlte Kevin sich viel entspannter.
„Trotzdem ist er mir wichtig“, erwiderte Kevin. „Wenn er nicht so resolut eingegriffen hätte, als er von Robyns Schwangerschaft erfahren hat, hätte Pippa großen Schaden nehmen können. Dass er mir ihre Geburt verschwiegen hat, nehme ich ihm immer noch ein bisschen übel, aber ich weiß auch, dass man aus Liebe manchmal Fehler macht. Und dass er Pippa liebt, ist ganz offensichtlich.“
„Also bist du so fertig, weil du diesen Kerl beeindrucken willst?“
Nein, hauptsächlich deshalb, weil er versuchte, Julianne zu entlasten. Seit sie nachts wieder durchschlafen konnte, sah sie viel besser und erholter aus. Die Traurigkeit in ihren Augen ließ sich dagegen nicht so leicht vertreiben. Und dafür war Kevin auch ganz bestimmt nicht der Richtige – obwohl ihm der Gedanke in den letzten Tagen hin und wieder gekommen war.
„Victor hat um Pippa gekämpft“, erklärte Kevin. „Und auch für Robyn, so gut er eben konnte. Jetzt versuche ich, die Situation so einfach wie möglich für alle Beteiligten zu machen.“
„Dann bleibst du also in der Gegend?“
„Ich habe mich zumindest mal bei ein paar Bauunternehmen beworben“, erwiderte Kevin seufzend. „Aber es sieht nicht gut aus. Für jede freie Stelle gibt es mehrere gute Bewerber, und die meisten haben bessere Beziehungen als ich.“
„Ja, ich weiß“, sagte Felix. „Meinem Neffen geht es ähnlich. Aber hey, du hast ja hier einen Job – solange du willst.“
„Du weißt genau, dass es nicht genug Arbeit für uns alle gibt, wenn Orlando erst zurück ist. Und außerdem, so dankbar ich dir bin …“
„Du kannst dir Schöneres vorstellen, als alte Sessel aufzupolstern.“
„Stimmt. Tut mir leid.“
Felix schaute ihn prüfend an, dann knüllte er die Papiertüte zusammen und warf sie lässig in den Abfalleimer. „Es muss doch einen Weg geben, die Sache zu lösen, ohne jemandem wehzutun, oder?“
Schön wär’s, dachte Kevin.
„So, jetzt aber wieder an die Arbeit“ erklärte Felix und stand auf. „Hast du die Munoz-Stühle fertig?“
„Fast. Noch drei, dann sind alle zwölf so gut wie neu.
„Sehr schön. Lieferst du sie gleich aus, wenn du fertig bist? Und danach kannst du nach Hause fahren. Und dich mal ausschlafen.“
„Du gibst mir den Rest des Tages frei?“
„Besser, als wenn du umfällst, dir was brichst und drei Wochen ausfällst“, erwiderte Felix ungerührt.
Zwei Stunden später kam Kevin bei Victors Haus an. Wie immer begrüßte Gus ihn überschwänglich, auch wenn er dafür nicht aufstand. Als er den Brief mit Mias Einladung zur Hochzeit auf dem Tischchen im Flur sah, dachte er unwillkürlich, wie schön es wäre, zusammen mit dem Kind auch ein eigenes Haus, eine Frau und einen Hund zu haben.
Drinnen war es still und kühl, und alles roch sauber. Victor beschäftigte einen Putzdienst, der schon am frühen Morgen da gewesen war.
Als Kevin in die Küche ging, um sich ein
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