Eine Familie für Julianne
lächelte schief. „Sie sind wirklich etwas verrückt, oder?“
„Sie sind völlig verrückt. Und absolut cool, wie meine Schwägerin sagen würde. Besonders dieser Kerl hier.“, Er zeigte auf eine Tasse mit dem befrackten Bassetthund.
„Ehrlich?“
„Und wie. Aber wieso haben die Tiere alle Flügel? Sind es Engel?“
Trotzig hob sie das Kinn. „Das sind doch keine Engelsflügel, das sieht man doch.“
Als er verwirrt die Stirn runzelte, fügte Julianne hinzu: „Sie haben keine Federn. Das hier ist ein Teil meiner Fellfen-Sammlung. Weil sie alle Fell haben, aber auch Elfen sind. Ist ja auch egal“, murmelte sie verlegen. „Es war nur so eine Idee …“
„Sind Sie verrückt? Ich habe keinen blassen Schimmer von Töpferei, aber das hier ist verdammt komisch. Ich meine – wie kann man dieses Geschirr ansehen, ohne einfach gute Laune zu bekommen?“
„So war es gedacht“, sagte sie leise. „Ursprünglich jedenfalls.“
Frag lieber nicht, dachte er, dann schaute er zu den Kisten auf dem Regal hinüber. „Wieso haben Sie so viel davon?“
Endlich nahm auch Julianne eine der Tassen in die Hand und strich zärtlich über das Schwein, das in einem Ballettröckchen über die Wiese tanzte.
„Ich hatte Ware gesammelt, um an einer Ausstellung in Seattle teilzunehmen“, sagte sie. „Die war am Thanksgiving-Wochenende vor zwei Jahren. Eine Woche nach dem Unfall.“
„Julianne …“
Sie zuckte die Schultern. Kevin setzte sich neben sie, lehnte sich mit dem Rücken an ein Bein der Werkbank und sah zu, wie sie die Tasse in den Händen drehte, während sie gedanklich in eine Zeit zurückkehrte, an die sie es wohl sonst vermied zu denken.
„Und seitdem haben Sie die Sachen nicht angeschaut?“, fragte er leise.
Seufzend stellte Julianne die Tasse ab, dann setzte sie sich überraschenderweise neben ihn. „Nein. Eine Freundin von mir hat sie für mich eingepackt, während ich im Krankenhaus war.“
Unwillkürlich griff Kevin nach ihrer Hand, und sie wehrte sich nicht. Ganz im Gegenteil, sie klammerte sich an ihm fest und starrte jetzt auf die Kiste, als könnte sie jeden Moment explodieren.
„Julianne?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Julianne!“, drängte Kevin und drückte ihre Hand. „Rede mit mir.“
„Und was, wenn ich nicht reden will? Vielleicht habe ich genug geredet …“
„Aber nicht mit mir. Und außerdem … wenn du diese Sachen immer noch hier vor der Welt versteckst, dann hat dir das Reden bis jetzt vielleicht nicht wirklich gutgetan. Und werd jetzt nicht wieder wütend, das nützt überhaupt nichts. Ich bin mit temperamentvollen Frauen aufgewachsen.“
Schweigen. Also fuhr er fort: „Ich habe mir auch manchmal den Mund fusselig geredet, bei den ganzen Therapeuten, die zum Entzug dazugehören. Und sie haben mir hin und wieder geholfen. Aber all die Sitzungen zusammen haben mir nicht so gutgetan wie ein einziges Gespräch mit meinem Vater oder meiner Schwester oder einem meiner Brüder. Mit Menschen, denen ich wirklich etwas bedeute.“
„Ich bedeute dir was?“
„Aber hallo.“
Sie lächelte ein wenig. „Warum?“
„Keine Ahnung.“ Jetzt lachte Julianne richtig, und Kevin sagte: „Freunde hören einander doch zu, richtig?“
„Ja, ich denke schon. Es ist nur …“ Sie seufzte. „Ich habe Angst, dass ich nicht mehr aufhören kann, wenn ich einmal anfange. Und du musst deine Küchenschränke abschleifen. Dad ist übrigens sehr beeindruckt.“
„Warte erst mal, bis ich fertig bin. Dann hat er wirklich Grund dazu. Aber die Schränke kannst du jetzt vorerst vergessen, okay? Selbst wenn ich sie in der Zeit, die ich hier bin, nicht mehr fertig kriege, kann ich es ja immer noch später machen.“
„Dann bleibst du also wirklich hier?“, fragte sie hoffnungsvoll, und Kevin spürte ein aufregendes Kribbeln, bis ihm klar wurde, dass sie eigentlich meinte: Dann nimmst du uns Pippa also nicht weg?
Er nickte, dann hob er die Augenbrauen. „Also?“
Sie schaute wieder zur Kiste hinüber. „Ich habe schon als Kind gemalt und gezeichnet. Witzige Sachen, alle sehr bunt. Meine Mutter sagte immer …“ Julianne schluckte. „… dass ich Lachen male.“ Ein langer Seufzer folgte. „Ich habe ständig für Mom Lachen gemalt. Um sie an ihren schlechten Tagen aufzuheitern.“
Die verzweifelte Entschlossenheit, die sie als Kind empfunden haben musste, brach ihm fast das Herz. „Und, hat es geholfen?“
„Offenbar ja nicht. Oder nicht genug. Nach ihrem Tod haben sich meine
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