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Eine fast perfekte Lüge

Eine fast perfekte Lüge

Titel: Eine fast perfekte Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dinah McCall
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sie die persönlichen Rachepläne des
Padrone
durchkreuzte.
    „Warum isst du nicht?“ fragte sie wieder ruhiger. „Es ist nicht vergiftet.“
    „Ich sehe Ihr Gesicht“, sagte Evan.
    Die Falte auf ihrer Stirn vertiefte sich. „Ich verstehe nicht“, erwiderte sie.
    Mit einem Mal wurde Evan von rasendem Zorn überschwemmt. Er brüllte so laut, dass gleich zwei Bewacher in den Raum stürmten, aber es war ihm egal.
    „Was? Du verstehst nicht? Ausgerechnet du verstehst nicht? Irrtum, du Miststück, ich bin hier derjenige, der nichts versteht. Ihr habt meine Mutter umgebracht. Und meinen Großvater auch. Und ihr zeigt mir eure Gesichter. Das macht kein Entführer, der vorhat, sein Opfer irgendwann wieder freizulassen. Alles klar? Hier drin stinkt’s wie die Pest … genauso wie ihr alle stinkt. Früher oder später bringt ihr mich sowieso um, und vielleicht ist es mir ja lieber, wenn es früher passiert!“
    Die Frau wurde rot vor Wut. Evan hatte die Worte rasend schnell herausgesprudelt, aber sie verstand genug Englisch, um zu wissen, dass sie mehrmals beleidigt worden war. In diesem Moment war es ihr egal, ob sie Miguel Calderones Zorn auf sich zog. Sie riss ihr Messer aus dem Gürtel und wollte sich auf den Jungen stürzen, doch in letzter Sekunde traten die beiden Männer dazwischen. Sie packten sie und zerrten sie aus dem Raum, während sie mit aller Kraft versuchte sich loszureißen. Eine Sekunde später wurde die Tür zugeknallt und der Riegel vorgeschoben. Plötzlich war der Spuk vorbei, und Evan war wieder allein. Er schaute auf das Loch im Boden.
    „He, Howard, kannst wieder rauskommen. Die alte Hexe ist weg.“
    Aber die Ratte zog es vor, sich nicht blicken zu lassen.
    Evan spürte plötzlich, dass ihm schlecht war. Er ging in die Knie, dann setzte er sich mit einem dumpfen Knall auf den Hosenboden. Der Geruch nach Pfirsichen vermischte sich jetzt mit dem Geruch nach Staub und dem durchdringenden Gestank nach Urin, der aus der winzigen Zelle nebenan drang.
    Evan war sich nicht sicher, ob es sein dritter oder sein vierter Tag in dieser Hölle war, und er fragte sich, wie lange er diese Qual wohl noch ertragen müsste.
    Irgendwann mitten in der Nacht wachte er auf. Seine Gelenke waren steif und er fror, weil er auf dem Boden an der Wand saß. Mit beträchtlicher Anstrengung schaffte er es schließlich, sich hochzuhieven und ins Bett zu kriechen. Das Rascheln, das er unter der Pritsche hörte, ignorierte er.
    Als Kind hatte er von Ungeheuern geträumt, die sich unter seinem Bett versteckten und darauf warteten, irgendwann herauszukommen, um ihn zu fressen, aber inzwischen wusste er, dass das alles Unsinn war. Die echten Ungeheuer warteten hinter dieser verschlossenen Tür darauf, ihn zu töten.
    Mit einem unterdrückten Aufschluchzen schloss er die Augen und rollte sich auf seiner Pritsche zusammen. Innerhalb von Sekunden war er eingeschlafen und träumte von einem Mann, der aussah wie er. Er kam in einer Wand aus Staub und Feuer zur Tür herein und tötete alle Ungeheuer. In seinem Traum kannte Evan ihn und nannte ihn Vater. Und alles war wieder gut.
    Mittlerweile war es dunkel geworden. Jonah hatte es aufgegeben, auf Carl French zu warten, aber er fühlte sich zu deprimiert, um einschlafen zu können. Er ging an dem Lagezentrum vorbei, zu dem man Declyn Blaines Arbeitszimmer umfunktioniert hatte, wobei er sich fragte, was der wohl sagen würde, wenn er sähe, dass sich auf seinen antiken Kirschholztischen elektronische Geräte und Aktenstapel türmten.
    Vorhin hatte er gehört, wie Ruger im Krankenhaus angerufen hatte. Blaines Gesundheitszustand hatte sich so weit gebessert, dass man ihn von der Intensivstation in ein privates Einzelzimmer verlegt hatte. Er wurde rund um die Uhr von einer Krankenschwester betreut, die ganz allein nur für ihn da war.
    Die Tatsache, dass ausgerechnet derjenige von der Familie überleben würde, der sich am schuldigsten gemacht hatte, fachte seinen Zorn und Hass erneut an. Gleichzeitig verspürte er den brennenden Wunsch, Macie zu sehen. Gleich zwei Stufen auf einmal nehmend rannte er die Treppe hinauf und klopfte an ihre Tür.
    Sie saß auf dem Bett und hielt ein gerahmtes Foto in der Hand, das Felicity und Evan zeigte. Als sie Jonah sah, ließ sie es schnell in der Nachttischschublade verschwinden und stand auf.
    „Macie … ich …“
    „Halt mich“, flüsterte sie und ging zu ihm.
    „Oh Gott“, sagte er leise und zog sie an sich. Er schob eine Hand unter ihr Haar

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