Eine fast perfekte Lüge
mit seinen Mandanten besprechen musste. Als er den Mund aufmachte, um etwas zu sagen, fiel ihm auf, dass der Wärter noch im Raum war. „Wir würden gern ungestört reden, Sir“, sagte er schroff.
Der Aufseher rührte sich nicht von der Stelle. „Ich habe meine Anweisungen.“
„Und Mr. Calderone hat seine Rechte, wozu unter anderem das Recht gehört, mit seinem Anwalt ungestört unter vier Augen reden zu können. Deshalb möchte ich Sie jetzt dringend bitten, den Raum zu verlassen … und vergessen Sie nicht, die Tür zu schließen.“
Der Aufseher, der natürlich wusste, dass der Anwalt im Recht war, zögerte einen Moment, dann drehte er sich um und ging.
Calderone wartete, bis sich der Schlüssel im Schloss gedreht hatte, dann schaute er auf Hollister. „Was gibt’s Neues?“
Der Anwalt runzelte die Stirn und legte einen Finger an seine Lippen.
Calderone zuckte wegwerfend mit den Schultern. „Eingesperrt bin ich ja schon. Was kann mir noch mehr passieren?“ meinte er und lachte laut auf.
„Ich weiß nicht, wie viel Zeit wir haben, deshalb fasse ich mich kurz. Ihr vermisster Hund ist nirgends auffindbar.“
Calderone war klar, dass mit dem vermissten Hund Jonah Slade gemeint war, aber das hatte er nicht hören wollen. Als er fluchend aufsprang, versuchte Hollister ihn mit einer Handbewegung zu besänftigen.
„Das ist unmöglich“, sagte Calderone. „Ich habe meinen besten Mann geschickt.“
„Nun, dann hat er offenbar nicht sein Bestes gegeben. In dem Bericht, den ich erhalten habe, steht, dass Ihr Hund verschwunden ist und dass niemand weiß, wo er ist.“ Nach kurzer Überlegung fügte er hinzu: „Der äußere Schein kann gelegentlich trügen. Mal sieht man die Dinge in diesem und mal in jenem Licht.“
Es war offensichtlich, dass Hollister auf die Undercovertätigkeit des gesuchten Mannes anspielte, ein Umstand, der Calderone unermesslich ärgerte. Es stimmte, dass er den Mann als Juan Diego Rivera, angeblich ein mexikanischamerikanischer Söldner, kennen gelernt hatte. Und ebenso stimmte es, dass er nicht wusste, wie der Mann ohne Bart und mit kurzen Haaren aussah. Aber richtig war auch, dass er –
Snowman
sei Dank – seinen tatsächlichen Namen kannte. Und der
Snowman
hatte ihm versichert, dass er Jonah Slade in jeder Verkleidung erkennen würde. Und nun dies. Es war einfach nicht zu fassen.
Frustriert schloss Calderone die Augen, öffnete sie jedoch sofort wieder mit einem lauten Aufstöhnen, da er erneut das Bild vor sich gesehen hatte, wie die Kugel Alejandros Kopf zerschmetterte.
Hollister verspürte ein unangenehmes Kribbeln im Nacken, doch er versuchte es zu ignorieren. Als Calderone schließlich wieder aufsah, war der Anwalt auf alles vorbereitet, nur nicht darauf, dass dieser Mann lächelte und wegwerfend mit den Schultern zuckte. In gewisser Weise war diese Reaktion erschreckender als der Wutanfall, der sich eben angekündigt hatte.
„Dann ist er also abgetaucht“, sagte Calderone. „Schön, dafür haben wir seinen Jungen. Sagen Sie Elena, dass weiterhin alles nach Plan läuft. Sie weiß, was zu tun ist. Und wenn sie das nächste Mal kommt, kommen Sie mit.“
Hollister runzelte die Stirn. „Halten Sie es wirklich für klug, dass sie sich als Nonne ausgibt? Das könnte uns vielleicht irgendwann in größte Schwierigkeiten bringen.“
Calderone lehnte sich lächelnd über den schmalen Tisch. Hollisters Nasenflügel bebten, als er das, was er für Schwefelgeruch hielt, in dem Atem des Mannes wahrnahm und sich fragte, ob der Teufel wohl genauso roch.
„Sie tun, was man Ihnen sagt“, erwiderte Calderone und fügte dann hinzu: „Und sorgen Sie dafür, dass man sich um den Gefängnisarzt kümmert.“
Jahrelang hatte Abraham Hollister das Böse in Miguel Calderone geflissentlich übersehen, weil seine Geldgier immer größer gewesen war als alle Bedenken. Doch als er jetzt das Glitzern in dessen Augen sah, wurde ihm schwindlig vor Angst. Nur mit Mühe schaffte er es, ruhig sitzen zu bleiben. „Selbstverständlich“, sagte er und begann seine Papiere wieder in seine Aktentasche einzuräumen. „Ich melde mich bei Ihnen.“
Calderone beugte sich vor und meinte fast flüsternd: „Und sagen Sie ihnen, dass sie gut auf diesen jungen Hund aufpassen sollen, bis ich komme.“
Hollister nickte und verabschiedete sich, dann ging er zur Tür und hämmerte mit der Faust dagegen. Fast im selben Moment wurde aufgeschlossen, und eine Sekunde später erschien der Wärter auf der
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