Eine Feder aus Stein
durch die Hintertür seines riesigen Hauses. Drinnen war es dunkel und kühl. Irgendwo schlug eine Uhr – halb neun.
»Na, wer hat die Kinozeiten denn nachgeschaut, hm?«, fragte er.
»Ja gut, ich«, gab ich zu. Auf der Webseite hatte etwas Falsches gestanden, deshalb hatten wir die erste halbe Stunde des Films verpasst, den wir uns hatten ansehen wollen. Daraufhin hatte Kevin gemeint, wir könnten auch bei ihm zu Hause einen Film schauen. Doch ich hatte damit gerechnet, dass wenigstens einer seiner Eltern da sein würde.
»Willst du Before the Day denn nicht sehen?«
»Doch, aber …« Um uns herum erstreckte sich das Haus ins Unendliche, makellos, wunderschön eingerichtet und größer als alle Privathäuser, in denen ich je gewesen war. Mir gefielen die vier Meter hohen Decken, die Verandatüren und die glänzenden, breiten Dielenbretter.
Kevin hörte auf, an meinen Händen zu zerren. »Hey, wenn du nicht bleiben willst, ist das auch okay. Wir können woanders hingehen und was anderes machen. Ich wollte dich nicht drängen.«
Das war einer der Gründe, weshalb ich Kevin so sehr mochte. Er meinte es absolut ehrlich. Luc hätte vielleicht das Gleiche gesagt, es aber nicht so gemeint, sondern gewollt, dass ich meine Meinung ändere. Kevin war bereit, mich so zu akzeptieren, wie ich war.
Nicht an Luc denken.
Irgendwie wollte ich nach Hause. Ich war besorgt und ein wenig zerstreut – Clio wollte unsterblich werden. Sie spielte mit etwas, von dem sogar ich wusste, dass es Schwarze Magie war. Ich hatte den Eindruck, als sei alles aus dem Gleichgewicht geraten. Nett zu sein und zu lächeln kostete mich sehr viel Anstrengung. Doch ich wollte nicht gemein zu Kevin sein.
»Ich nehme an, der Fernseher steht unten?«
Kevin grinste. »Ich hatte an den in meinem Zimmer gedacht.«
Lachend stieß ich ihn gegen die Brust. »Denk noch mal nach.«
Zum Zeichen seiner Niederlage hob er die Hände und führte mich ins Wohnzimmer, das größer war als Petras Wohn- und Arbeitszimmer zusammen. Er öffnete einen antik aussehenden TV -Schrank. Ein gigantischer Fernseher kam zum Vorschein.
»Oh mein Gott«, sagte ich neidisch, und er lächelte.
»Du wirst zu unserer Super-Bowl-Party kommen müssen. Oder vielleicht lieber nicht – da geht’s ziemlich derb zu. Willst du was trinken? Ich kann uns Popcorn machen.«
Ich starrte ihn einfach nur bewundernd an. Er wäre perfekt – wenn ich nicht die Erinnerung an jemand anderen hätte.
7
»Ist das okay?« Kevins Stimme klang leise und irgendwie heiser.
Ich fühlte mich, als würde ich gleich von einer Klippe springen, schaffte es aber, kurz zu nicken, bevor sich unsere Lippen erneut berührten. Das einzige Licht kam vom schwachen Schein einer Lampe auf der andern Seite des Zimmers. Wir lagen auf dem breiten Anbausofa und knutschten. Der Film, dem wir sowieso keine Beachtung schenkten, war nichts als ein leises Hintergrundgeräusch.
Kevin konnte hervorragend küssen, er war geschickt und sanft. Eine unterschwellige Entschlossenheit sprach aus seinem Tun. Es war … wirklich schön. Sogar toll. Doch mir brannten keine Synapsen durch, ich verlor mich nicht, hatte nicht das Gefühl, eins mit ihm zu werden. Ich mochte es sehr, sehr gern, ihn in den Armen zu halten, mochte die Art, wie er sich anfühlte und mich küsste, fühlte mich wohl dabei, mit ihm rumzumachen, doch ich spürte nicht das verzweifelte Verlangen, weiter zu gehen. Ich hatte keine Lust, mich bestimmender zu verhalten oder genauso viel einzufordern, wie ich selbst gab.
Wir lagen Seite an Seite, sein Bein über meinem, dann legte er noch seine Hand dazu, direkt unter den Saum meines Kleids. Ich war ja schon verwirrt und irgendwie ängstlich, weil ich überhaupt so weit gegangen war, und jetzt bat er mich sanft um mehr. Langsam glitt seine Hand meinen Oberschenkel hinauf, gab mir Zeit, ihn aufzuhalten.
»Ähm«, sagte ich und löste mich aus dem Kuss. Ich war schläfrig, benebelt und hatte den Eindruck, ausgiebigst geküsst worden zu sein. Es war schön, ein wirklich gutes Gefühl. Schwer atmend wartete Kevin ab und beugte sich dann vor, um mir einen Kuss auf den Nacken zu drücken, der mir Schauder über den Rücken jagte. Seine Hand wanderte ein kleines bisschen höher. Es war aufregend – riskant und unbedenklich zugleich. Ein Teil von mir wollte wissen, wo das hinführen würde.
Nur, dass ich bereits wusste, wo es hinführen würde, und das konnte ich auf keinen Fall machen.
Ich legte meine Hand auf seine. Er
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