Eine Frage der Balance
sicher, wie er auf das Thema der Kolonie in Thalangia kam.
»Knarros ist mein Oheim«, sagte er, als ich wieder zuhörte, »deshalb bin ich hier - ich und Kris, wir sind beide seine Schwestersöhne. Wir dürfen als einzige die Kolonie verlassen. Die Sicherheitsvorkehrungen dort oben sind streng. Kris und ich verbringen die eine Hälfte des Jahres dort und die andere Hälfte bei unseren Familien, und es ist uns untersagt, draußen über Knarros zu reden. Ich dürfte das alles nicht erzählen - au! -, aber der Kaiser ist tot, deshalb nehme ich an, es ist nicht mehr so wichtig. Wie schon gesagt, Knarros hat die Kinder der Gemahlinnen zur Linken Hand in seiner Obhut und weiß, wie sie eingestuft sind und wie ihre richtigen Namen lauten und wie ihre Identität bewiesen werden kann, wenn die Zeit gekommen ist. Die Kinder selbst ahnen natürlich nicht, wer sie sind.«
An diesem Punkt versuchte ich, etwas einzuwerfen. Wenn Rob wußte, welcher Sproß der kaiserlichen Lenden welchem Namen auf der Liste zuzuordnen war - und es hörte sich an, als ob er es wußte -, konnte er mir meine Aufgabe beträchtlich erleichtern. Doch er redete über meinen Versuch, seine Aufmerksamkeit zu erregen hinweg, und Maree war es, die seinen Wortschwall unterbrach.
»Was für eine bescheuerte Idee!« sagte sie stirnrunzelnd und nahm eine weitere eingefädelte Nadel von mir entgegen. »Ein Junge soll Kaiser werden und hat keine Ahnung von irgendwas, nicht einmal von der Welt außerhalb dieser - Kolonie. Das ist doch Schwachsinn. Wird der Thronfolger wenigstens von deinem >Oheim< in Staatsführung unterwiesen?«
»Nein, selbstverständlich nicht«, antwortete Rob. »Das wäre zu gefährlich. Solange er nichts weiß, ist er sicher. Und der Kaiser ist sicher vor Söhnen, die versuchen, den
Vater zu stürzen, oder skrupellosen Verschwörern, die die Söhne benutzen, um ...«
»Blödsinn!« schnitt Maree ihm das Wort ab. »Dummes Zeug und Propaganda. Nick, hat das bei uns nicht auch einer probiert? Die Osmanen oder welche aus der Gegend?«
»Stimmt«, bestätigte Nick von meinem Bett her; er vermied es angestrengt, in Marees Richtung zu schauen. »Bei denen hat es auch nicht funktioniert. Ich kann mich auch nicht erinnern, welches Reich es gewesen ist, aber ich weiß, daß die Söhne des Herrschers in einem Palast wie Gefangene eingesperrt waren, und wenn man den neuen Sultan herausholte, war er menschenscheu und hatte keine Ahnung, was man von ihm erwartete. Sie waren furchtbar schwache Herrscher.«
Ich seufzte. So also lief der Hase. Der neue Kaiser, mit meiner Hilfe auf den Thron gehievt, sollte der Anfang vom Ende des koryfonischen Imperiums sein. Wie es bestimmt war. Maree und Nick hatten ganz recht mit ihrer Parallele zu einer Dynastie auf der Erde, ich glaubte, mich an etwas Ähnliches erinnern zu können.
»Knarros hat sie alle in der rechten Ethik unterwiesen«, verteidigte Rob seinen Onkel und das System. »Und das Blut läßt sich nicht verleugnen. Der neue Kaiser ist kein Feigling und kein Narr, ihr werdet sehen!«
»Weißt du, wer es ist?« konnte ich endlich fragen.
»Nein. Das weiß nur Knarros. Ischabe - habe allemein ‘schprochn.« Sein Kopf sank auf die verschränkten Arme. »Dauersch noch lange?«
»Fast fertig«, sagte Maree.
Robs plötzlicher Zusammenbruch war verständlich und bestimmt echt, aber ich hätte wetten mögen, daß er sich auch gar nicht dagegen wehrte, weil er vermeiden wollte, noch mehr auszuplaudern. Ich drang nicht weiter in ihn. Schließlich würde ich bald mit Knarros persönlich sprechen.
Rob verharrte mit dem Kopf auf den Armen, bis Maree den letzten Faden verknotete und sagte: »Voilä. Fertig.« Dann wurde offenkundig, daß Robs Schwäche nicht vorgetäuscht war. Mit vereinten Kräften schafften wir ihn hinüber zu meinem Bett, wo wir ihn behutsam auf die gesunde Seite legten. Glücklicherweise war es ein großes Bett, gerade groß genug für ihn.
Maree beugte sich über ihren Patienten.
»Was ist mit deinem Oberkörper? Ich vermute, du hast eine angeknackste Rippe, aber dafür kann ich nicht viel tun.«
Rob murmelte, daß er sich ohne sein Hemd wohler fühlen würde. Es war ein ärmelloses Wams ohne Knöpfe, und wir zogen es ihm vorsichtig über den Kopf. Wieder sagte er murmelnd etwas, es klang besorgt.
»Keine Angst«, sagte Maree. »Ich konnte alles ganz ordentlich zusammenflicken. Mit Glück wird es so verheilen, daß man kaum etwas davon sieht.«
»Hoffentlich«, meinte Will. »Wäre
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