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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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wir mit Rob nach oben gekommen waren. Zinka, Gott segne sie, hatte das Blut entfernt, aber die Kabine schien sich nur noch mit halber Geschwindigkeit zu bewegen. Der nächste Punkt auf meiner Liste zu erledigender Dinge. Endlich im Parterre angekommen, schlenderte Will mit seinem gefälschten Abzeichen zum großen Veranstaltungssaal, und ich begab mich zum Parkplatz. Scarlatti tönte mir entgegen, sobald ich die Hoteltür öffnete, vielleicht um eine Winzigkeit gedämpft, aber dafür allgegenwärtig. Ich sah rot.
    Die Sonate brach mit einem schuldbewußten Pling ab, als ich die Wagentür aufriß. »Stan!«
    »Was?« fragte er keck.
    »Das weißt du ganz genau.« Ich warf mich auf den Sitz und drehte den Zündschlüssel. »Das ist der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen bringt. Sei still. Spar dir deine Entschuldigungen. Sag am besten gar nichts. Ich mußte gerade dabei assistieren, einen übel zugerichteten Kentauren zusammenzuflicken, und bin mit meinen Nerven am Ende. Ich möchte mich übergeben. Ich möchte schreien. Aber weil Will und Nick sich diesen Luxus geleistet haben - mehr oder weniger -, muß ich einen kühlen Kopf bewahren. Die Geschichte meines Lebens! Nein, sag nichts!« Wir schossen mit aufheulendem Motor durch den engen Torbogen.
    »Ich wollte nur fragen, wohin wir fahren«, meinte Stan kleinlaut.
    »Thalangia, im koryfonischen Reich«, warf ich über die Schulter. Der Transit erschien diesmal, weil wir mit dem Auto fuhren, als eine holprige, ungeteerte Straße, die steil bergab führte.
    »He, das kannst du nicht tun!« rief Stan. »Die Obere Ka mm er hat nur Wantchester genehmigt, von Ausflügen war nicht die Rede!«
    »Die Hohe Ka mm er k ann mich mal!« entgegnete ich. »Und alle Da Oben ebenfalls! Sie haben mich in letzter Zeit nach allen Regeln der Kunst gepeinigt. Wenn sie dich nicht in Thalangia haben wollen, sollen sie sich hinbemühen und dich persönlich von dort entfernen. Auch ein wirksames Mittel, um dich daran zu hindern, das Hotelpersonal zu terrorisieren.«
    »Deshalb nimmst du den Wagen für den Transit? Ich wußte nicht, daß das möglich ist.«
    »Will macht es immer so. Doch um deine Frage zu beantworten: Ich nehme den Wagen, weil man letztesmal bei meiner Ankunft in Koryfos auf mich geschossen hat. Mit etwas Glück treffen sie diesmal das Auto, und ich habe einen erstklassigen Grund, dich zurückzulassen!«
    Inzwischen hatten wir Thalangia erreicht - motorisiert geht der Transit um einiges schneller vonstatten. Wir fuhren in ein weit gespanntes Abendrot hinein, und ich stellte fest, daß ich mich mit der Route ein wenig verschätzt hatte - ich war nicht daran gewöhnt, in solchem Tempo zu navigieren. Ein paar Meilen vor uns sah ich einen bewaldeten Hügel oder mittleren Berg aufragen, gekrönt von einem Mauerring. Links davon, das metallische Blinken von mehr als einem koryfonischen Orlog, das war der vermutlich bereits wartende Dakros. Die Entfernung betrug schätzungsweise drei Meilen, aber zwischen hier und dort erstreckte sich eine von einem Flickenteppich aus Weingärten überzogene Ebene. Auf direktem Weg hinzugelangen war unmöglich, aber zwischen den einzelnen Wingerten führten Feldwege entlang, und ich nahm an, früher oder später würde ich ankommen, wenn ich Zickzack fuhr und dabei ungefähr die Großrichtung beibehielt. Vorsichtig, im zweiten Gang, holperte ich einen vielversprechend aussehenden Pfad entlang und zog trotzdem eine solche Fahne aus goldenem Lößstaub hinter mir her, daß ich im Rückspiegel so gut wie nichts mehr sehen konnte.
    »Nun komm schon, Rupert!« flötete Stan versöhnlich. »Schießereien und Kentauren und so weiter - davon weiß ich ja noch gar nichts. Sei nicht grausam, erzähl mir, was passiert ist. Immerhin habe ich seit unserer Ankunft nichts anderes gesehen als diesen öden Hotelparkplatz.«
    Ich bog in einen anderen Feldweg ein und gab keine Antwort.
    »Okay, okay«, sagte er, »tut mir leid wegen der Musik. Zufrieden? Ich habe versucht, die Lautstärke zu dämpfen, aber es war lustig, die Leutchen herumlaufen zu sehen wie aufgescheuchte Hühner, und ich konnte der
    Versuchung nicht widerstehen, sie noch ein bißchen mehr zu verwirren. Ich weiß, das war nicht richtig. Vergeben?«
    »Schon besser«, sagte ich. »Ich dachte, dein Gewissen wäre mit dir gestorben. Und?«
    »Ich werde es nicht wieder tun.«
    »Akzeptiert.« Und während wir, eingehüllt in eine immer größere Staubwolke, von einem Feldweg in den anderen einbogen,

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