Eine Frage der Balance
würde einhalten können, leicht sogar, doch als ich mich gerade mit den letzten und vertracktesten Probleme beschäftigte, meldete mein Faxgerät sich mit dem speziellen Dreiklang, der eine Nachricht mit Bezug auf Magid-Angelegenheiten ankündigte. Ich na hm das Blatt und las:
Iforion 10/02/3413 11.00 Uhr DRINGEND
Kaiser bei Attentat getötet.
Kommt schnellstens zu einer Konferenz Palast, Iforion.
Diese Nachricht auf Befehl des Amtierenden Regenten,
Generalkommandant Dakros
»O Gott!« sagte ich. »Hurra!« Das war meine erste Reaktion. Dieses Scheusal Timos IX. hatte es verdient, und nicht allein wegen Timotheo. Ich hoffte, der Attentäter hatte ihm vorher weh getan. Ordentlich. Dann holte der Verstand mich wieder ein, und ich sagte: »Scheiße. Kein Thronfolger.« Ich überlegte weiter und fügte hinzu: »Was erwartet man von mir? Ich bin ihr Magid, nicht ihr Kindermädchen.«
»Sag ihnen, sie sollen allein zurechtkommen«, schlug Stan vor. Offenbar hatte er das Fax über meine Schulter hinweg gelesen.
Ich faxte zurück, ich käme morgen.
Koryfos antwortete:
Iforion 10/02/14 11.04 Uhr DRINGEND
Sofortiges Kommen unerläßlich.
Dakros
Ich faxte:
Warum? Ich habe hier zu tun.
Dakros (wer immer er sein mochte) antwortete:
Wir haben die Komplizen des Attentäters. Gefahr von Rebellion/Chaos.
Brauchen Euch, um den nächsten Kaiser zu finden.
Große Probleme hier,
die nur ein Magid lösen kann.
Bitte,
Dakros
Dieses >Bitte< war es, vor dem ich kapitulierte. Der Mann war ein General und Amtierender Regent und sagte Bitte wie ein kleiner Junge. Ich faxte, ich wäre unterwegs, und da es mir die Art von Problem zu sein schien, dessen Lösung einige Zeit in Anspruch nimmt, packte ich vorsichtshalber eine kleine Reisetasche. Zweifellos hätte man mir mit Wasch- und Nachtzeug ausgeholfen, aber in Koryfos schlief man in einem Hemd wie em Krankenhauskittel mit Bändern, was ich nicht ausstehen kann, und ihre Rasierapparate waren eine Katastrophe! Während ich packte, konnte ich Stan über mir schweben fühlen und daß es ihn drängte, etwas zu sagen.
»Heraus damit.«
»Laß dich nicht von Koryfos vereinnahmen, ja?«
»Keine Gefahr. Ich empfinde keinerlei Sympathie für Land oder Bewohner. Warum?«
»Weil eine Art Direktive sie betreffend existiert - nicht so stark wie eine Absicht, mehr eine Empfehlung: das koryfonische Kaiserreich nach seiner eigenen Fasson zum Teufel gehen zu lassen.«
»Mit meinem Segen. Was für eine Direktive ist es? Ein Großes Geheimnis, das du vergessen hast, mir zu enthüllen, oder was?«
»Nein, ich habe es aufgeschnappt, nachdem ich - während ich - während ich da drüben war und mit den Meistern des Karmas verhandelte und so weiter«, gestand er. »Zu guter Letzt mußte ich sogar noch höher gehen. Es kam von sehr weit oben. Die Da Oben wollen, daß das Imperium sich selbst überlassen wird.«
»Keine Einwände.« Ich warf mein Waschzeug in die Tasche, zog den Reißverschluß zu und ging die Treppe hinunter. »Kommst du mit nach Iforion?«
Ein bedrücktes Schweigen begleitete mich nach unten ins Wohnzimmer, dann bekannte die Stimme meines Spiritus rector kleinlaut: »Dazu bin ich wahrscheinlich nicht in der Lage, Söhnchen. Ich fürchte, mein Wirkungsradius beschränkt sich auf die Erde. Vielleicht ist es mir nicht einmal möglich, dein Haus zu verlassen.«
»Wie langweilig für dich.«
»Es gibt kein Gesetz, welches besagt, daß das Leben - ich meine das Leben danach - interessant zu sein hat«, sagte er melancholisch.
Ich machte mich auf den Weg nach Iforion und ließ ihn traurig spukend im Wohnzimmer zurück. Es war eine
Reise in Etappen, von Sprosse zu Sprosse, mit dem unvermeidlichen Eindruck, eine Figur auf einem Schachbrett zu sein, die von einem Feld zum anderen rückt - oder gerückt wird? -, aber hangab, da ich mich gen Mehrwärts bewegte. Ich dachte, daß Lewis Carroll recht gehabt hatte in Alice im Wunderland. Niemand hat es mir je bestätigt, aber ich habe immer vermutet, daß Carroll ein Magid gewesen ist. Geschichten zu schreiben wie seine Alice -Bücher ist ein wirksames Mittel der Beeinflussung, und darum geht es bei uns Magids: subtile Beeinflussung.
Kapitel 3
Wie all die Male zuvor war mein Ankunftspunkt in Iforion eine kleine Kammer im Palast, das Magid-Tor, aber zum erstenmal stand ich halb blind und nach Atem ringend in einer Wolke aus Staub - beißendem, altem Ziegelstaub. Prompt begannen meine Augen zu tränen, und meine Nase lief. Ich
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