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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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denkend zur Schlinge umfunktioniert. Die in Gold gestickte Lemniskate glitzerte an seinem Ellenbogen. Das Husten st amm te von einer Frau, trotz des mit Ruß und Ziegelstaub beschmierten Gesichts als recht attraktiv zu erkennen und ziemlich eigenwillig gekleidet in gestreifte Schnürbundhosen und ein mit Saphiren und Perlen besticktes, blusenähnliches Oberteil. An der Identität des Dritten im Bunde konnte es keinerlei Zweifel geben. General Dakros trug die Uniform der Truppenteile Zweiter Klasse in Blau und Grau - soweit ich es erkennen konnte. Sie war zerrissen und schmutzig und voller Brandlöcher. Wie der Gefreite hatte auch er seit dem Unglück keine Zeit gefunden, sich zu rasieren, und sein Kinn schimmerte blauschwarz, passend zu seinem kurzgeschnittenen, krausen schwarzen Haar. Als Angehöriger einer der dunkelhäutigeren Völkerschaften des Reichs war ihm eine Karriere in der Elitetruppe oder die Beförderung auf einen hohen Regierungsposten verwehrt geblieben, und wiewohl er dieser Tatsache sein Leben verdankte, hatte sie ihm gleichzeitig die undankbare Pflicht aufgebürdet, ein Kaiserreich zu regieren. Sein Gesicht mit den eingesunkenen Schläfen und verkrampften Wangenmuskeln war das eines Menschen, der glaubt, in einem Alptraum gefangen zu sein, doch seine Augen, bemerkte ich erleichtert, als er mich forschend musterte, hatten einen ruhigen, klaren Blick. Er war älter als wir anderen, aber jung für einen General, woraus ich schloß, daß ich es mit einem fähigen Mann zu tun hatte.
    Fast sofort wandte er sich wieder ab. Aus einem zweiten Eingang an der gegenüberliegenden Seite der Halle tauchten mehrere Gestalten auf und näherten sich in der Haltung diskreter Dringlichkeit. Zwei legten Faxe auf den Tisch, ein dritter, im Gold und Königsblau der Leibgarde, doch nicht weniger mitgenommen als alle anderen, beugte sich respektvoll vor und flüsterte dem General etwas ins Ohr. Dieser Respekt beruhigte mich, daran ließ sich erkennen, daß Dakros Autorität besaß. Es handelte sich um eine offenbar wichtige Nachricht über ein erobertes Weltentor. Währenddessen schaute ich mir das Chaos auf dem Tisch an: Stapel staubiger Faxe, mehrere tragbare Militärcomputer, ein Gedanken-Sprache-Emp- fänger (ich hätte nichts dagegen gehabt, selbst einen zu besitzen) und mehr leere Kaffeebecher aus Plastik, als ich zählen konnte. Der Gardesoldat ging, und Dakros wandte sich wieder mir zu. Mittlerweile hustete ich fast ebenso schlimm wie die hübsche junge Hofdame. Ich sagte: »General, Ihr müßt evakuieren, bevor die Leute hier reif für ein Lungensanatorium sind!«
    »Ich weiß«, antwortete er. »Gerade hat es wieder einen Einsturz gegeben. Wir werden gehen, sobald Ihr uns geholfen habt, unser Problem zu lösen.«
    »Es ist im Thronsaal, im Tresor«, erklärte die Hofdame.
    Der junge Zauberer fügte mit nervösem Stolz hinzu: »Ich tue, was ich kann, um alles zusammenzuhalten.«
    Nicht übertrieben, wie ich merkte, als ich meine Sinne in die Höhe richtete. Da hingen tonnenschwere Steinmassen, und es brachte ihn fast um, sie abzustützen. Ich tat mein Möglichstes, um ihm zu helfen. Stan hätte mein Verhalten vielleicht kritisiert, aber das kümmerte mich nicht. Der gesamte, bis in seine Grundfesten erschütterte Bau schien dem Einsturz nahe zu sein. Der junge Zauberer dankte mir mit einem verzerrten Lächeln, als ich seine Stützen mit meinen verstärkte.
    »Dann sollten wir uns beeilen«, meinte ich. »Wo geht es zum Thronsaal?«
    Der General erhob sich steif. Er war ein stattlicher, hochgewachsener Mann, auch wenn er jetzt vor Müdigkeit die Schultern hängen ließ. »Kommt mit, wir zeigen Euch den Weg.« Als die anderen beiden ebenfalls aufstanden, schien er sich auf die Etikette zu besinnen. »Vergebung, Magid. Dies ist Juniormagus Jeffros, und dies ist die Kaiserliche Gemahlin zur Linken, Prinzessin Alexandra. Sie hat als einzige von den Gemahlinnen des Kaisers die Explosion überlebt.«
    Die Prinzessin warf mir ein beschämtes Lächeln zu, als wäre sie mit dem Finger im Marmeladentopf ertappt worden oder etwas Ähnliches. Vielleicht fühlte man sich schuldig als Überlebender, wenn Personen von viel höherem Rang umgekommen waren. Magus Jeffros jedenfalls stand das schlechte Gewissen ins Gesicht geschrieben. Während wir einen langen Korridor entlangeilten, schüttete er mir sein Herz aus: »Ich saß einfach mitten in den Trümmern. Sämtliche Seniormagi ringsum waren tot. Ich fühle mich schrecklich.

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