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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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sorgfältig vor mir selbst verheimlicht hatte, brannten mir in der Kehle und zerrissen mir die Brust, als hätte mich jemand gezwungen, Glassplitter zu schlucken. Ich bezweifelte, daß ich überhaupt ein Wort herausbringen konnte.
    Dankbar hörte ich Stan an meiner Stelle antworten. »Nein, Söhnchen, machen wir uns nichts vor. Hin und wieder passiert es, daß die Starken, diejenigen mit einer wirklichen Persönlichkeit, etwas länger Widerstand leisten. Deine Schwester ist eine von den Starken, weiter nichts.«
    »Nicht Schwester - Kusine«, verbesserte Nick. »Wie lange?«
    »Jahre. Manchmal.«
    Nick warf sich herum und starrte mir ins Gesicht. Das orangefarbene Licht des verlassenen Busbahnhofs spiegelte sich in seinen Augen, so daß sie sich in meine brannten wie Funken glutroter Verzweiflung. Es war, als würde mein eigener Schmerz mir entgegenlodern. »Sie haben gesagt, es gäbe noch eine Möglichkeit«, schrie er mich an, und wieder überschlug sich seine St imm e. »Worauf warten Sie noch. Tun Sie’s, jetzt sofort!«
    »Ich weiß nicht, ob ... Es ist ein Großes Geheimnis«, wehrte ich unglücklich ab.
    »Ich werde kein Wort verraten. Nur tun Sie’s!«
    »Darum geht es nicht. Es ist eine langwierige Gramarye. Vielleicht funktioniert sie nicht; ich habe es noch nie ausprobiert. Wir brauchen mindestens noch einen weiteren Magid und jemanden, der sie begleitet, und ich bin nicht sicher, ob wir ...«
    »Sie verstehen nicht!« brauste er auf. »Ich war nicht richtig lebendig, bevor Maree bei uns eingezogen ist. Sie ist so jemand, der alles verändert.«
    »Ich weiß, daß sie etwas Besonderes ist. Aber möglicherweise haben wir nicht...«
    »Rupert«, mischte Stan sich ein, »der Junge hat recht. Nutze das Babylon-Geheimnis. Du mußt dieses Mädchen zurückholen, denn je mehr ich sehe, desto überzeugter bin ich, daß sie Bestimmt ist, dein neuer Magid zu werden.«
    Wie sollte ich ihm sagen, daß ich hauptsächlich deshalb zögerte, weil mein eigener Wunsch es zu tun, so groß war? Ein großer Teil meiner Schmerzen kam daher, daß ich nichts lieber wollte, als von Babylon Gebrauch zu machen. Doch man darf nicht auf ein Großes Geheimnis zurückgreifen, wenn man glaubt, daß man es nur tut, weil man es möchte. Und die Vorstellung, es erfolglos zu versuchen, war unerträglich, fast so schlimm wie der Gedanke, ich könnte etwas Falsches tun, weil ich mir so sehr wünschte, Maree wiederzubekommen, so, wie sie gewesen war. Etwas von diesem Gefühlsaufruhr reagierte ich ab, indem ich Stan anschrie: »Es ist Bestimmt? Wozu dann dieses ganze Theater, wenn es das ist, was sie ohnehin wollten? Weshalb mich da hineinziehen?«
    »Du weißt, daß sie nicht direkt Einfluß nehmen können«, wies Stan mich zurecht, »es ist nicht gestattet. Du kannst meine Strophe haben, wenn du willst. Sie wird anders lauten als deine.«
    »Ich hoffe, euch ist bewußt, was ihr verlangt«, sagte ich, und ich glaube, meine Stimme brach wie die von Nick. »Ihr verlangt von mir, eine große, riskante Gramarye zu inszenieren, eine Gramarye, die töten kann, an einem Ort, der sich als höchst instabil erwiesen hat, ganz zu schweigen davon, daß wir einen verwundeten Kentauren am Hals haben, der sich vor zwei Mördern versteckt, von denen einer mit dem Nodus Schindluder treibt. Und der Nodus ist so stark, daß ich selbst mit Wills Hilfe nicht sicher bin, ob ich das alles organisieren kann, den Weg offenhalten, auf Maree aufpassen ...«
    »Ich werde auf Maree aufpassen«, warf Nick ein. »Ich übernehme das.«
    »... und dann wäre da auch noch das Rätsel um Andrew!« schloß ich. »Ja, ich fürchte, ich werde Maree in deine Obhut geben müssen, Nick. Anders ist es nicht zu schaffen.«
    »Du vergißt, was ich dir seit eh und je gepredigt habe«, sagte Stan. »Erledige die Dinge hübsch der Reihe nach, wie sie kommen. Wenn du dir den ganzen Batzen aufbürdest, verhebst du dich nur.«
    »Ich werde alles tun, was ich kann, um zu helfen«, beteuerte Nick. »Alles, ich versprech’s!«
    »In Ordnung«, sagte ich, »überredet.« Mir fiel ein Stein vom Herzen. »Sobald wir uns aus dieser vermaledeiten Arkade befreien können.«
    Wir warteten.
    Objektiv betrachtet, dauerte es nicht lange. Sobald das Wachstum einmal begonnen hat, geht die Entwicklung mit Riesenschritten vonstatten. Die Metallstreben hatten das segmentierte Aussehen von Bambus angenommen, wuchsen anmutig in die Höhe und hoben das blattähnlich gerippte Dach aus Wellplastik mit empor. Der

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