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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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des Multiversums sind!« sagte ich.
    »Nun, zum einen können sie in einer Hälfte davon nicht auf Dauer existieren«, gab Stan zu bedenken. »Sie brauchen Magie zum Überleben. Aber der Hauptgrund ist, das Konzept des Herrschens sagt ihnen nichts. Es erscheint ihnen nicht als vernünftig.«
    »Das war auch mein Gedankengang. Aber merkwürdig - das sollte meine nächste Frage sein: Würde ein Kentaur nach dem Kaiserthron streben? Das koryfonische Gesetz enthält keinen Passus, der dagegen spricht, soweit ich es beurteilen ka nn .«
    »Nur wenn der betreffende Kentaur sich mit der Vorstellung anfreunden könnte, allein zu sein, isoliert von allen anderen seinesgleichen«, erklärte Stan. »Die Konservativen würden ihn ablehnen, die anderen würden lachen und sich an die Stirn tippen. Gehorchen würden sie ihm nur, wenn sie aus Gründen der Verwandtschaft zur Loyalität verpflichtet wären.«
    Ich dachte an Knarros, der in der Tat isoliert gewesen zu sein schien und der unzweifelhaft im Gespräch mit mir die Wahrheit verdreht hatte, und fragte mich ... Aber Knarros war tot. Und ich war ziemlich sicher, daß Knarros’ Loyalität gegenüber dem Kaiser und dann gegenüber den Mördern des Kaisers andere Gründe als die für einen Menschen offensichtlichen gehabt hatte. Ein Grund mochte sein, daß sie alle die gleiche Göttin im Dornbusch verehrten. Ich mußte Stan danach fragen. Später. Etwas anderes war wichtiger.
    »Stan, kö nn en Kentauren sich mit Menschen paaren?«
    Ich glaubte, ein unterdrücktes Stöhnen von Nick zu hören - oder vielleicht war es wieder ein Flüstern von Maree.
    »Dieses Thema ist mit dem Odium des Unziemlichen behaftet«, meinte Stan, »aber doch, es kommt vor. Natürlich gibt es physische Probleme. Die meisten Mischlinge werden tot geboren, und eine Menschenmutter, die von einem Kentauren schwanger ist, hätte ziemlich früh eine Fehlgeburt. Würden sie es austragen, wäre das Fohlen zu groß. Aber umgekehrt, Menschenvater und Kentaurenmutter, das klappt gelegentlich. Ein oder zwei solcher Ausnahmen von der Regel sind mir begegnet. Meistens sind sie ziemlich klein. Und die vollblütigen Kentauren sind krampfhaft nett zu ihnen. Überschlagen sich fast, um deutlich zu machen, daß das Fohlen schließlich nichts dafür kann - du weißt schon.«
    Aha, dachte ich, das ist es. Wir haben es hier mit Schwestersöhnen zu tun. Und mit deren Vettern und Kusinen natürlich. »Danke, Stan«, sagte ich. »Nick.« Nick zuckte schuldbewußt zusammen. »Nick, wie lautet dein voller Name?«
    »Nicholas«, antwortete er. »Mallory.«
    »Ach ja? Nicht zum Beispiel Nickledes Timos und so weiter?«
    »Nichothodes«, verbesserte Nick gereizt. »Wenn schon.«
    Fast hätte ich aufgelacht. Niemand kann es leiden, wenn man seinen Namen verballhornt. Stan gönnte sich ein verhaltenes Kichern, während ich die hochnotpeinliche Befragung fortsetzte. »Und Marees?«
    »Sie wollte ihn mir nie verraten«, gestand Nick mürrisch, bedrückt. »Aber ich weiß, daß Maree eine Abkürzung für Marina ist.«
    Sempronia Marina Timosa, dachte ich, auf einem blutgetränkten Fetzen Papier in der Hand eines toten Kentauren. Ich hätte Sempronia auch verschwiegen. »Und weiter?« bohrte ich.
    »Was meinen Sie mit und weiter? Nichts weiter.«
    »Nun, zum Beispiel würde mich interessieren, woher du weißt, was Entseelen bedeutet. Du hast mir vorhin berichtet, daß Maree entseelt worden wäre, aber das Wort kennst du nicht von mir. Ich kann mich genau erinnern, was ich über den Transit zwischen den Welten gesagt habe, als ich versuchte, euch beiden die Gefahren vor Augen zu führen, und ich weiß, daß ich diesen Ausdruck nicht benutzt habe.«
    Keine Antwort. Nick saß vornübergebeugt neben mir und starrte in die trübe Neonhelligkeit, dorthin, wo die Eisenstäbe unmerklich dünner wurden und sich nach außen wölbten.
    »Ich würde auch sehr gern wissen, ob du wirklich in der Hecke warst, oder ob du bei dem Entseelen geholfen hast.«
    Das saß! Er fuhr herum, und seine Stimme überschlug sich, als er mir entgegenschleuderte: »Das habe ich nicht! Ich war in der Hecke! Und ich wüßte gar nicht, wie man das macht, jemanden entseelen. Es tut mir entsetzlich leid, was Maree passiert ist, aber es ging alles so schnell!« Unvermeidlich, daß diese letzte Wort gicksend herauskam. Sein Gesichtsausdruck verriet mir, daß er es hörte und sich schämte, und ich sah, wie er versuchte, sich zu beherrschen. Er hatte meine Sympathie, auch ich

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