Eine Frage der Balance
selbst seid nicht die Mutter eines potentiellen Erben?«
Selbst in dem unnatürlichen, flackernden Licht der Stäbe sah ich, wie sie errötete, und sie rang in einer unwillkürlichen Gebärde der Verzweiflung die Hände. Dakros machte eine Bewegung, als wollte er mich schlagen, doch er beherrschte sich, und sie antwortete würdevoll: »Mir ist diese Ehre nie zuteil geworden, Magid. Mein Eindruck war, daß Seine Kaiserliche Majestät nicht viel für Frauen übrig hatte.«
»Und sich für unsterblich hielt«, sagte ich verdrossen.
»Er war erst neunundfünfzig.«
»Verflucht, das wird ja imm er besser! Könnt Ihr überhaupt irgendetwas an Informationen beisteuern?«
»Nur Gerüchte, wie schon gesagt«, antwortete sie.
Ich schämte mich. Sie war höflich, und sie versuchte zu helfen, und was tat ich? Wurde immer ruppiger und grantiger. Zu meiner Verteidigung kann ich nur anführen, daß Koryfos ein Ort ist, der unweigerlich meine schlechtesten Seiten zum Vorschein bringt, und in dem staubigen Raum wurde es noch schlimmer, bedrängt von der Vorstellung tonnenschweren Mauerwerks über unseren Köpfen, gehalten nur von einem seidenen Faden aus Magie und prekärer Statik.
»Ich hörte von mindestens zwei Töchtern«, sagte Prinzessin Alexandra. »Und es könnten noch zwei Söhne existieren, außer dem einen, der kürzlich hingerichtet wurde. Es wäre möglich, daß Jaleila vor ihrem Tod einen Sohn zur Welt brachte, aber damals war ich noch nicht Gemahlin zur Linken, also ka nn ich es nicht mit Gewißheit behaupten.«
»Vielen Dank, Prinzessin.« Ich drehte mich wieder zu dem Computer herum. Neben mir kroch Jeffros über den Boden, um einen Draht an dem Computertisch zu befestigen, unbeholfen und mit nur einer brauchbaren Hand. Auch er beschämte mich. Er traf Vorkehrungen, um alles hier in die Luft zu jagen, sobald ich der Maschine brauchbare Fakten entlockt hatte, und ich tat nichts weiter, als meine Gereiztheit an dem General und der Prinzessin auszulassen. Höchste Zeit, daß ich mich auch nützlich machte.
Ich gab einen Befehl nach dem anderen ein - ohne Erfolg. Auf dem Bildschirm immer wieder nur die Nachricht, Timotheo wäre gelöscht. Ich schnitt dem Monitor eine Grimasse. Selbst ein paranoider Wirrkopf wie T im os IX. mußte eine Situation wie diese vorhergesehen haben. Es mußte einen logischen Weg geben, seinen Erben zu lokalisieren und zu identifizieren. Sogar wenn er geglaubt hatte, der Ratgeber oder Magus, der in das
Geheimnis eingeweiht war, würde ihn überleben, mußte er nach aller Vernunft trotzdem für alle Fälle Vorsorge getroffen haben.
Angespornt von einem neuerlichen bedrohlichen Knirschen der Decke, versuchte ich einen Umweg. Aha. Eine neue Botschaft.
KORREKTES PASSWORT EINGEBEN ODER ES ERFOLGT BESTRAFUNG.
Ich versuchte es mit der Lemniskate, aber das war zu offensichtlich, dann mit >KORYFOS<, weil gerade eben jemand von ihm gesprochen hatte. Zilch.
Prinzessin Alexandra hatte Koryfos erwähnt, im Zusammenhang mit der Sage, daß Koryfos der Große zurückkehren werde und wieder die Herrschaft übernehmen, an dem Tag, an dem der kaiserliche Palast einstürzte.
Während ich >TIMOS< versuchte, hörte ich den General sagen: »Albernes Märchen.«
»Er ist noch nicht vollständig eingestürzt«, gab Jeffros zu bedenken.
Derweil schnurrte der Computer und produzierte eine neue Nachricht:
DREI PASSWORTE UNRICHTIG. BESTRAFUNG ERFOLGT.
Das unheilverkündende Murren und Grollen schwoll an.
»Ich brauche eine Speicherdiskette«, sagte ich. »Mehrere. Wir müssen raus hier. Schnell.« Noch während ich sprach, fühlte ich die magischen Gerüste dort oben aus den Fugen geraten. Eine Sicherheitsvorrichtung. Wenn ein Unbefugter den Computer befragte, brach alles über ihm zusammen. Den guten Timos scherte es nicht. Er wußte, wenn das geschah, war er bereits tot. Von allen gemeinen, selbstsüchtigen... »Schnell!« wiederholte ich.
Prinzessin Alexandra reichte mir einen Kasten mit Disketten. Also war sie mehr als nur ein hübsches Lärvchen, aber zu der Einsicht gelangte ich ohnehin allmählich.
Von der anderen Seite hielt mir der General noch zwei weitere hin. Ich schob eine ins Laufwerk und befahl der Maschine, die Festplatte zu kopieren.
»Glaubt Ihr, das tut sie?« erkundigte sich Dakros zweifelnd.
»Nein. Aber ich werde sie dazu zwingen!«
Nur selten habe ich so konzentriert und schnell gearbeitet wie in den folgenden Minuten. Mit einer mentalen Hand sozusagen hielt ich die
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