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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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Ende der Diabelli-Variationen. Als sie wieder von vorn anfingen, sagte ich, um ihn zu beschwichtigen: »Na gut. Ich schreibe den vieren, von denen wir den Aufenthaltsort kennen, einen Brief und bitte sie, sich mit mir in Verbindung zu setzen. Kannst du da mi t leben?«
    »Gibt es ein Leben vor dem Tode?« antwortete Stan philosophisch. »Gut. Was willst du ihnen schreiben?«
    »Je nachdem. Thurless ist Schriftsteller, solche Leute kriegen Post von Bewunderern. Mallory ist Studentin, also chronisch knapp bei Kasse. Ihrer Mutter habe ich schon die Geschichte von der Erbschaft aufgetischt - am besten bleibe ich dabei. Madame Fisk kommt mir vor wie jemand, der an einer neuen Wunderkur interessiert sein könnte, und Kornelius Punt... «
    Der Quell meiner Inspiration versiegte.
    »Er ist weit gereist. Frag ihn, ob er Interesse daran hat, einen Reiseführer zu schreiben«, schlug Stan vor.
    »Bravourös!« Weil ich wußte, er würde keine Ruhe geben, bis ich meine Worte in die Tat umgesetzt hatte, verfaßte ich die Briefe gleich an Ort und Stelle, und ich war recht zufrieden mit mir. Ungeachtet der Tatsache, daß ich nie ein Buch von Thurless auch nur gesehen hatte, erging ich mich in lyrischen Lobpreisungen seines Stils. Mallory schrieb ich, sie hätte 100 £ geerbt - so viel konnte ich mir nach meiner Schätzung gerade eben leisten. Für Tansy-Ann Fisk war ich der Freund eines Freundes eines Freundes, der gehört hatte, sie wäre in der Klinik, und ihr von den Mirakeln der Stanley-Diät berichten wollte. Kornelius Punt stellte ich mich als kleiner Verleger vor, auf der Suche nach interessanten Projekten.
    »Was ist diese Stanley-Diät?« wollte Stan wissen.
    »Luft und Liebe, genau wie du.«
    »Dachte ich mir. Nur weiter so. Mach dich lustig über mich, nur keine übertriebene Rücksichtn ahm e.«
    Ich brachte die Briefe zur Post. Dann endlich durfte ich mich mit Stans Erlaubnis den Koryfos-Disketten widmen. Darüber vergingen die nächsten drei Tage.
    Ich nahm mir eine der Disketten vor und studierte sie unter Zuhilfenahme aller einem Magid zu Gebote stehenden und auf diesen Fall anwendbaren Methoden. Als ich glaubte, genug über die Eigenschaften des Programms und die darin implantierten Knallfrösche herausgefunden zu haben, räumte ich meinen ältesten Computer leer und trimmte ihn auf Koryfos-Format. Ein schönes Stück Arbeit. Koryfos benutzte Disketten einer anderen Form und Kapazität, eine andere Spannung und eine rationellere Programmiertechnik. Ich mußte Metall und Plastik meines armen alten Amstrad aufweichen, neu modellieren und dann in der passenden Form erstarren lassen. Ich mußte einen Adapter konstruieren. Dann mußte ich ihn, so genau wie möglich, nach dem Muster des Computers konfigurieren, von dem ich die Diskette kopiert hatte. Das war die härteste Nuß. Ich darf mi t Überzeugung behaupten, daß nur ein Magid es bewerkstelligen konnte. Zu Stan sagte ich: »Ein Glück, daß ich mi t so was Übung habe. Vielleicht ist es Schummelei, aber ich nehme auch beim normalen Programmieren oft Magie zur Hilfe. Hast du bei deinen Pferden von Magie Gebrauch gemacht?«
    Keine Antwort. In meinem Wohnzimmer setzten erneut die Diabelli-Variationen ein.
    Eigentlich brauchte ich keine Bestätigung. Ein Magid zu sein beeinflußt unweigerlich alle Bereiche des Lebens, manchmal so unauffällig, daß es einem vorkommt wie Intuition. Ein anderes Mal, wenn man versucht, ein Problem zu lösen, scheint es ohne magische Hilfe kein Weiterkommen zu geben, und man macht ohne Rücksicht auf Verluste davon Gebrauch, wie ich bei diesem Programm.
    Am Ende des ersten Tages war ich bereit für einen Probelauf. Ich schob die Koryfos-Diskette ins Laufwerk und befahl ihr, auf die Festplatte zu kopieren. Sie widerstand all meinen Überredungsversuchen, auch dann noch, als ich behutsam die Schutzvorrichtungen entfernte. Ich seufzte, setzte die Schutzvorrichtungen wieder in Kraft und befahl ihr, die Dateien anzuzeigen. Nichts. Ich nahm Zuflucht zu elektronischer Gewalt - ein Fehler.
    Der Absturz erfolgte derart rasant, daß einiges im Innenleben des Amstrad zu schmelzen begann. Flämmchen spielten über das Gehäuse und nur im letzten Moment gelang es mir, wenigstens den Adapter zu retten, so blieb es mir erspart, noch einen basteln zu müssen. Ich fluchte. Ich mußte mich beeilen, die geschmolzenen und verschmorten Überreste zu untersuchen, und natürlich waren sie noch heiß - kein Vergnügen. Wie sich herausstellte, waren nicht weniger

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