Eine Frage der Balance
erheben!«
»Nein«, protestierte der junge Mann. »Es gefiel mir einfach nicht, keine Ahnung zu haben, wer ich bin. Ich glaube, ich habe das Recht, die Wahrheit zu ke nn en.«
»Dieses Recht hast du nicht. Deine Worte sind ein Geständnis - alle hier Anwesenden haben aus deinem eigenen Mund vernommen, wie du dich des Hochverrats schuldig bekannt hast.« Sichtlich zufrieden hob der Kaiser den Blick zu mir auf meiner erhöhten, unbequemen Bank. »Das Gesetz ist das Gesetz«, sagte er. »Bezeugt, Magid, daß dieser Mann gegen Unser Kaiserliches Gebot verstoßen hat.« Ich neigte bestätigend den Kopf. Es war mir zuwider, mit ihm zu sprechen.
Danach gab es ein großes Palaver, als weitere Notabeln sich, von ihren Staatsgewändern umraschelt, erhoben und gleichfalls Zeugnis ablegten. Die ganze Veranstaltung wurde zu einem pompösen Aufmarsch. Ich saß da und überlegte, wann der günstigste Moment wäre, Jung- Timotheo verschwinden zu lassen, und ich gebe meiner durch die anstrengende Reise und die Zeitverschiebung bedingten Benommenheit die Schuld, daß ich nicht sofort gehandelt habe. Sechs Männer waren inzwischen an dem Delinquenten vorbeigeschritten und hatten das weiße Futter ihrer leuchtend rosafarbenen Umhänge gegen ihn geschwenkt, während sie das Todesurteil aussprachen. Es war, als würde man von einem Beet Petunien verurteilt. Wer sollte das ernst nehmen!
Nach meiner Schätzung war die beste Zeit zu handeln, wenn man Timotheo in seine Zelle zurückbrachte. Er war von einem Trupp Elitesoldaten hereingeführt worden, einen Magus als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme im Gefolge, und ich nahm an, daß man glaubte, durch diese massive Abschirmung käme niemand an ihn heran. Also wartete ich ab.
Und dann war es zu spät. Die Petunien kehrten an ihre Plätze zurück. Der Kaiser sagte in beiläufigem Ton: »Das Urteil kann nun vollstreckt werden.« Er hob eine ringblitzende Hand. Bei einem der Ringe muß es sich um eine ihrer Strahlenwaffen gehandelt haben, im Miniaturformat. Timotheo sank mit einem leisen Stöhnen zu Boden, und Blut lief aus seinem Mund.
Es war so schnell geschehen, daß ich hoffte, es sei ein Trick. Für mich war unvorstellbar, daß ein Herrscher, und sei es dieser koryfonische Sauertopf, nicht den Wunsch haben sollte, das Leben seines ältesten Sohnes zu schonen. Während ich die Stufen hinunterlief und an die Seite des Gestürzten eilte, war ich immer noch überzeugt, es sei alles eine Täuschung, um die Feinde des Kaisers glauben zu machen, Timotheo sei tot. Doch es war kein Trick. Ich berührte den Jungen. Er fühlte sich noch warm an, lebenswarm, aber meine tastenden Finger sagten mir, daß die Seele den Körper verlassen hatte.
Mich hielt es nicht länger dort; ich machte mich auf, um schnellstens eine Protestnote an die geeignete Adresse zu richten.
Ich war voller Zorn, sowohl auf mich selbst wie auf Timos IX. Auf dem Weg nach Hause schalt ich mich wegen meiner Dummheit, ausgerechnet in Koryfos Mitleid oder auch nur Respekt vor dem Recht auf Leben zu erwarten. Und ich hatte reichlich Zeit, mich zu verfluchen. Die Erde liegt Minderwärts von Koryfos; man kann sich die Reise also vorstellen wie eine beschwerliche Wanderung bergauf. Ich mußte mich in den Räumen zwischen den Welten von Sprosse zu Sprosse hangeln, und als ich schließlich mein Haus erreichte, haßte ich nicht nur das Kaiserreich, sondern auch die albernen, hinderlichen Kleider, die es mich zu tragen zwang. Gerade als ich sie mir im Wo hnzimm er vom Leib reißen wollte, klingelte das Telefon.
Ich hatte keinen anderen Wunsch, als mich mit einer frisch gebrühten Tasse Kaffee auf dem Sofa niederzulassen und dann die Großmeisterin anzurufen, um eine formelle Beschwerde gegen den Herrscher von Koryfos einzureichen. Fluchend nahm ich ab.
»Ja, was?«
Am anderen Ende meldete sich mein älterer Bruder Will. »Schlechten Tag gehabt?« erkundigte er sich.
»Kann man sagen. Koryfos.«
»Dann glaube ich dir. Ich bin heilfroh, daß ich mich nicht mehr darum kümmern muß.« Will ist ebenfalls ein Magid. »Und was ich dir zu sagen habe, wird auch nicht zu deiner Erheiterung beitragen, fürchte ich. Ich rufe aus Stan Churnings Haus an. Er ist krank. Er möchte dich sehen.«
»O Gott! Warum kommt ein Unglück niemals allein?«
»Keine Ahnung, aber es ist so. Man sollte es zu einem Großen Geheimnis erklären. Ich denke, Stan liegt im Sterben, Rupert. Er ist jedenfalls davon überzeugt. Wir haben auch Si zu unterrichten
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