Eine Frage Der Groesse
dass mehrere Wissenschaftler Brizendines Buch als »durchsetzt mit wissenschaftlichen Fehlern« bezeichnet hatten. Besonders hervorgehoben wurde dabei die Legende von den 20000 Wörtern, die eine Frau pro Tag benutzte, im Gegensatz zu den 7000 Wörtern eines Mannes: »Diese Behauptung stimmt so stark mit Geschlechterklischees über geschwätzige Frauen und schweigsame Männer überein, dass viele Leute empört darüber waren, dass für die Entdeckung von etwas so Offensichtlichem überhaupt Geld ausgegeben wurde. Nur dass es nicht stimmt. Es stellte sich heraus, dass Brizendine ihre Zahlen aus dem Buch eines Selbsthilfe-Gurus übernommen hatte, der sie einfach aus der Luft gegriffen hatte. Die tatsächlich vorliegenden Studien zeigen entweder, dass Männer ein klein wenig mehr reden als Frauen oder dass beide Geschlechter auf einer Ebene liegen. Auch Brizendines Behauptung, dass Frauen doppelt so schnell wie Männer sprechen würden, ist zwar ein weiteres in Ehren gehaltenes Geschlechtermärchen, aber keinerlei Forschung weist auf etwas Derartiges hin. Das Einzige, was sich in der Richtung konkret nachweisen lässt, ist, dass Männer im Schnitt etwas schneller sprechen als Frauen. Es gibt auch keine wissenschaftliche Grundlage für die Behauptung, dass Männer alle 53 Sekunden an Sex denken und Frauen nur einmal am Tag oder dass Frauen emotional aufmerksamer sind, weil ihr sensibleres Gehör sie dazu befähigt, feinere Nuancen und Untertöne in der Sprache wahrzunehmen, die Männern entgehen. Kurz: zu sagen, Brizendines Behauptungen seien nicht wirklich wissenschaftlich, ist noch sehr zurückhaltend ausgedrückt. Trotzdem haben die Medien dieses Buch unkritisch besprochen, ohne seine Behauptungen von Wissenschaftlern überprüfen zu lassen.«
In Deutschland war das nicht anders. Unter der herablassenden Überschrift »Wir müssen Geduld mit den Männern aufbringen« landeten Brizendines fragwürdige Weisheiten sogar im Wissenschaftsteil der Welt, Rubrik Hirnforschung: »Frauen haben einen achtspurigen Highway, um ihre Gefühle auszudrücken, Männer nur eine Landstraße«, konnte man dort nachlesen sowie »Das weibliche Gehirn besitzt mehr Kommunikationszellen als das männliche, was wiederum Einfluss nimmt auf den Wortschatz.« Die Journalistin behauptet weiter, Frauen seien emotional intelligenter, Männer aggressiver. Dass Brizendine sich selbst als »bekennende Feministin« bezeichnet, verwunderte hier nicht. Und wie viel sprechen Männer nun wirklich im Vergleich zu Frauen? Ein aussagekräftiges Experiment dazu gab es erst im Jahr 2007 – einige Zeit nach der Debatte um Brizendines Machwerk. Bei diesem Versuch stattete das Forscherteam um Matthias Mehl von der Universität Arizona 210 weibliche und 186 männliche Studenten für zwei bis zehn Tage mit einem speziellen Aufnahmegerät aus: einem sogenannten Elektronisch Aktivierten Rekorder (EAR). Diesen Apparat führten die Probanden während ihrer gesamten täglichen Wachdauer von etwa 17 Stunden mit sich. Alle zwölfeinhalb Minuten schaltete sich das Gerät für jeweils 30 Sekunden ein und zeichnete auf, was seine Träger so von sich gaben, während sie ihren Alltagsgeschäften nachgingen. Die Versuchspersonen merkten nicht, wenn sich ihr Gerät ein- oder ausschaltete.
Diese Experimente wurden über mehrere Jahre hinweg durchgeführt. Bei der Auswertung der Aufzeichnungen gelangten die Forscher zu dem Ergebnis, dass eine Frau im Durchschnitt 16 215 Wörter pro Tag sprach, ein Mann hingegen 15 669. Der Unterschied betrug also lediglich einige wenige Prozent.
Insgesamt unterschieden sich die abgehörten Männer extrem voneinander. Während die einen dem Klischee des schweigsamen Typs passgenau entsprachen, erwiesen sich andere als extreme Plaudertaschen. Der Mann, der am wenigsten redete, beschränkte sich auf 500 Wörter pro Tag, der redseligste brachte es locker auf 47 000.
Aber woher kommt unser Eindruck, dass Frauen so viel geschwätziger sind als Männer? »Ich glaube, es liegt an den unterschiedlichen Verhaltensweisen, die Frauen und Männer in Konflikten zeigen«, befindet James Pennebaker von der Universität Texas in Austin, der an den von Matthias Mehl geleiteten Untersuchungen beteiligt war. »Bei einem Streit reden Frauen mehr, und wir rechnen unsere besonders starken Erinnerungen an dieses Verhalten auf den Rest des Lebens hoch.«
GLATZE
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