Eine Frage Der Groesse
von Mann zu Mann verschieden. Sie hängt beispielsweise auch von der Partnerin, dem Grad der Ermüdung und anderen Einflüssen ab. Ausschlaggebend ist hier vor allem das Alter: Bei einem 20-Jährigen dauert die Refraktärphase vielleicht nur fünf Minuten, mit 40 eine Stunde und mit 60 manchmal einen ganzen Tag. Ein Mann, der länger keinen Sex hatte, erholt sich schneller als einer, der sich in dieser Hinsicht in jüngster Vergangenheit etwas verausgabt hat. Dem Sexualwissenschaftler Roy J. Levine von der britischen Universität Sheffield zufolge teilt sich dieser Zeitraum übrigens in zwei Unterphasen auf: In der »absoluten Refraktärphase« ist ein Mann nicht einmal für die ausgefallensten sinnlichen Reize empfänglich. Darauf folgt jedoch eine »relative Refraktärphase« – jetzt können neue oder besonders raffinierte erotische Verlockungen den schlappen Kerl wieder aufrichten.
Was ist hier im männlichen Körper passiert? Noch sind Wissenschaftler dabei, das genau zu erforschen. Aber die ersten Puzzlesteine fügen sich bereits zusammen: Beispielsweise schießt nach dem Orgasmus der Spiegel des Hormons Prolaktin auf die doppelte Höhe und verharrt bis zu einer Stunde auf diesem Level. Wissenschaftler vermuten, dass dieses Hormon ein Gefühl der sexuellen Sättigung erzeugt und so alle entsprechenden Systeme herunterfährt. Das wäre vergleichbar mit dem Sättigungsgefühl nach einer Mahlzeit: Dem Gehirn wird mitgeteilt, dass es jetzt erst mal reicht. So verhindert das Prolaktin auch, dass die Gefäßmuskulatur am Eingang der Schwellkörper erschlafft – und die Aufgabe dieser Muskulatur ist es, den Blutfluss aufzuhalten, der sonst zur Erektion führen würde.
Eine wichtige Rolle bei der Refraktärphase scheinen darüber hinaus chemische Bahnen zwischen dem Mittelhirn und dem Hypothalamus zu spielen. Dieselben Bahnen sind auch beim Regulieren des Schlafs von Bedeutung. Um diese Vermutung zu überprüfen, zerstörten die Forscher bei Ratten einen Hirnbereich entlang dieser Bahnen. Als man das Verhalten der Laborratten danach beobachtete, zeigte sich, dass ihre Refraktärphase halbiert worden war.
Nun wird wohl kaum ein Mann Teile seines Gehirns zerstören lassen, nur um diese verflixte Refraktärphase zu verkürzen. Einigen wenigen sexuell sehr aktiven Kerlen gelingt es ja auch, wie ich im Kapitel über multiple Orgasmen erläutert habe, die geschilderten Vorgänge durch reine Willenskraft zu unterdrücken. Was ist mit den anderen – dürfen sie vielleicht auf Hilfe durch Medikamente hoffen? Was ist mit Viagra?
Tatsächlich kann diese kleine blaue Pille bei gesunden 30-jährigen Männern die Refraktärphase von zirka 10,8 Minuten auf durchschnittlich 2,8 Minuten senken. Und die Forschergruppe um Manfred Schedlowski von der Uniklinik Essen überlegte: Könnte man nicht eine Droge entwickeln, die den Prolaktinspiegel senkt, so dass Männer problemlos öfter hintereinander kommen könnten? Um dies herauszufinden, ließen die Wissenschaftler mehrere Versuchspersonen onanieren, während sie an Messgeräte und eine Kanüle für Blutproben angeschlossen waren. Vorher bekamen sie die Substanz Cabergolin verabreicht, die die Ausschüttung von Prolaktin hemmt. Das Ergebnis dieses Experiments: Cabergolin steigerte das sexuelle Begehren, verkürzte die Zeit bis zum ersten Samenerguss, es kam häufig zu einem zweiten Orgasmus gleich danach, und die Probanden berichteten von einem qualitativ besseren Orgasmus. Bis auf diese doofe Sache mit der (noch) früheren Ejakulation klingt das so, als ob man auf dem richtigen Weg wäre.
Oder doch nicht? Wenn unser Körper extra umständlich so etwas einrichtet, könnte man ja auch vermuten, dass sich dahinter ein tieferer Sinn verbirgt. Wozu also ist die Refraktärphase gut? Anscheinend gibt es sie deshalb, weil Männer ihre wertvolle Energie nicht verschwenden sollten, wenn sie über keinen Samen mehr verfügen, um sich damit fortzupflanzen.
»Wenn kein einsatzfähiges Sperma geliefert werden kann«, kommentiert hierzu der Biologe Thomas Lazar, »macht es auch keinen Sinn, den ganzen sexuellen Apparat in Alarmbereitschaft zu halten.« Zwar bilden sich neue Spermien in wirklich rasantem Tempo, dennoch dauert es ein wenig, bis wieder ausreichend befruchtungsfähige Samenfäden vorliegen. Solange deren Vorrat zu gering ist, scheinen die Samenbläschen über eine Art Rückkoppelungssystem dem Gehirn mitzuteilen, dass es sich noch gar nicht lohne, auf sexuelle Annäherungen zu
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