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Eine Frage der Zeit

Eine Frage der Zeit

Titel: Eine Frage der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Sander
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füllen, die sonst zu kurz kommen.“
    „Ich bin kein Zyniker sondern ein komplizierter Charakter, wie Sie ja eben so treffend bemerkt haben. Und was die Hintergrundgeschichten angeht: eine richtige Story ist mir lieber. Und den Lesern auch. Außerdem können wir es uns ja sowieso nicht aussuchen. Der Tote lag schließlich heute Morgen auf dem Parkplatz.“
    „Auch wieder wahr. Ich bin übrigens überrascht, dass uns diese Polizistin schon so viel über den Toten verraten hat.“
    „Ich nicht. Susanne und ich waren schließlich fast acht Jahre verheiratet.“
     
    - - -
     
     
    Die Redaktionskonferenz hatte schon begonnen, als sie das Pressehaus erreichten. Sie eilten in den Besprechungsraum, ein nicht klimatisiertes Zimmer ohne Fenster, das von der Belegschaft nicht ohne Grund „Bunker“ genannt wurde. Die Kollegen planten gerade die Aufteilung der morgigen Ausgabe. In den Sommerferien war nur die halbe Belegschaft in der Redaktion, mehrere Stühle blieben daher leer. Die Sitzung verlief unter Dieter Kreutzers Leitung zügig und war schon nach einer halben Stunde beendet. Nachdem der Chefredakteur Marcks wortreich vorgestellt und in der „ Morgenkurier -Familie“ willkommen geheißen hatte, trotteten alle wieder in ihre Büros.
    Kreutzer bedeutete Velten, dass er ihn noch unter vier Augen sprechen wollte. Als sie im Konferenzraum unter sich waren, reichte er ihm eine Mappe. Er erkannte darauf das Logo eines bekannten Frankfurter Consulting-Unternehmens, dass die Morgenkurier- Gruppe schon mehrfach beraten hatte. Ihm schwante nichts Gutes.
    „Die Geschäftsleitung hat TGHZ beauftragt, uns wieder zu durchleuchten“, eröffnete ihm der Chefredakteur
    Velten lachte bitter: „Schon wieder? Wenn wir noch mehr Stellen abbauen, werden Sie mit Frau Knab alleine im Pressehaus sitzen.“ Er erinnerte sich nur ungern an die letzten beiden Male zurück, als die Rationalisierungsexperten aus Frankfurt den Verlag „gescreent“ hatten. Danach waren in Redaktion, Verwaltung und Druckerei drei Dutzend Arbeitsplätze gestrichen und mehrere Lokalredaktionen zusammengelegt worden. Auch das Stammhaus in Waldenthal hatte bluten müssen und mehrere von Veltens langjährigen Kollegen hatten ihren Job verloren.
    Kreutzer hob beschwichtigend die Hände: „Bevor Sie sich aufregen: es geht dieses Mal nicht um Einsparungen, sondern um Strategieberatung. Wir müssen offensiv nach vorne denken und unsere Print-Online-Kompetenz nachhaltig und zielgerichtet optimieren.“ Er machte eine Kunstpause, um sein auswendig gelerntes Beratersprech auf Velten wirken zu lassen, doch der zeigte keine Reaktion. Kreutzer deutete auf die Mappe: „Darin finden Sie ein paar wirklich interessante Statistiken und mehrere sehr spannende Fachartikel. Bitte lesen Sie sich vor dem Gespräch mit Nina Jost, das ist die für uns zuständige Beraterin, alles sorgfältig durch. Frau Jost ist auf dieses Thema spezialisiert. Sie wird ab September ein Maßnahmenpaket für den Kurier erarbeiten, will sich aber in dieser Woche schon einen ersten Überblick verschaffen. Sie haben um vierzehn Uhr einen Termin mit ihr. Seien Sie bitte kooperativ.“
    „Und was mache ich währenddessen mit Marcks?“
    „Sie wird sich solange mit der Landkreisredaktion vertraut machen. Ich habe Lutz Frenger schon darüber informiert, dass er sich Zeit für sie nehmen soll.“
    Auf dem Flur traf Velten auf seine Kollegin, die vor der Tür auf ihn gewartet hatte. Er informierte sie kurz über ihre zeitweise Versetzung. „Optimierung der Print-Online-Kompetenz. Klingt spannend. Ich wäre gerne dabei“, sagte sie.
    „Übersetzt aus dem Beratergeschwurbel, das Kreutzer da zweifellos zitiert hat, heißt das wohl, dass wir die Printausgabe auf dem jetzigen Niveau fortführen und parallel dazu den Internetauftritt massiv ausbauen sollen. Natürlich mit der gleichen Mitarbeiterzahl.“ Er stopfte die Mappe in einen Papierkorb. „Glauben Sie mir, Berater sind die Pest.“
    Sie machten sich auf den Weg zur Kantine. Velten nutzte die Gelegenheit, um Marcks durch das Pressehaus zu führen. Der Begriff stammte noch aus einer Zeit, als in dem Gebäude neben dem Kurier eine werbefinanziertes Zeitung und ein Buchverlag ihren Sitz hatten. Außerdem war hier auch der Privatsender Radio Waldenthal gegründet worden, an dem die Kurier -Gruppe maßgeblich beteiligt war. Inzwischen waren die Anteile am Lokalsender und dem Anzeigenblatt verkauft und der Buchverlag geschlossen worden. Im Pressehaus war nur

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