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Eine Frage des Herzens

Eine Frage des Herzens

Titel: Eine Frage des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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kannte.
    Schwester Eleanor Marie hatte sie des Mangels an Selbstlosigkeit bezichtigt, aber Bernie wusste, diese Sache war persönlich, reichte in die Anfangszeit zurück, als sie in den Orden aufgenommen worden war. Sie erinnerte sich an die erste Begegnung mit der Novizenmeisterin, und trotz ihres Bedürfnisses, Mitleid mit Eleanor zu empfinden, gefror ihr das Blut in den Adern. Der Bewusstseinswandel bewirkte, dass sie ruhiger wurde, denn plötzlich war ihr klar, worum es hier wirklich ging.
    »Dann werde ich eben über deinen Kopf hinweg handeln«, sagte Bernie. »Ich werde eine Eingabe an deine Generaloberin machen, die Hochehrwürdige Mutter. Sie wird mir die Akte überlassen.«
    Sichtlich erschüttert, beugte sich Eleanor Marie vor. »Du drohst mir?«
    »Sie ist freundlich und einfühlsam. Unser Orden wurde auf grenzenloser Liebe gegründet, Schwester. Ich habe gelernt, Angst durch Hoffnung und Liebe zu ersetzen. Ich bin sicher, deine Hochehrwürdige Mutter hält sich an das gleiche Credo. Sie wird wissen, dass ich meinem Sohn keinen Schaden zufügen will. Ich empfinde nichts als Liebe für ihn. Das werde ich ihr sagen, und sie wird mir meine Akte aushändigen.«
    Schwester Eleanor Marie starrte sie mit erloschenen Augen an. Doch allmählich begannen sich die Kohlen wieder zu erwärmen und zu glühen. Sie öffnete die Schreibtischschublade und entnahm ihr einen Bund mit mehreren Schlüsseln. Sie betastend, musterte sie Bernie. Dann warf sie die Schlüssel auf die Schreibunterlage.
    »Nur zu. Schau hinein.«
    Bernie ergriff den Schlüsselbund und ging um den Schreibtisch herum zu der schmiedeeisernen Rundbogentür. Dort, im inneren Sanktuarium, befanden sich mehrere Reihen Aktenschränke, alphabetisch geordnet. Nach einigen Versuchen hatte sie schließlich den Schlüssel, der ins Schloss passte. Sie öffnete die Tür und betrat den Raum.
    Da war er, der Schrank mit dem Buchstaben
S
für Sullivan; sie hatte als Bernadette Sullivan ihre Gelübde abgelegt und wusste, dass der Orden die Akten auf der Grundlage des ursprünglichen Namens der Schwestern führte. Der Schrank mit dem
S
war der niedrigste, und so kniete sich Bernie auf den Boden, um einen Schlüssel nach dem anderen auszuprobieren. Schwester Eleanor Marie hätte ihr dabei helfen können, doch stattdessen saß sie reglos auf ihrem Stuhl und beobachtete sie.
    Der letzte Schlüssel war der richtige, und Bernies Herz klopfte, als das Schloss aufsprang. Ihre Hände waren so schweißnass, dass es ihr nur mit Mühe gelang, den Schrank zu öffnen. Doch endlich ging er auf, und sie überflog die Manila-Ordner. Stephens, Stevens, Stires, Strand, Sullivan. Sie riss den Ordner aus dem Schrank und blätterte die Dokumente durch.
    Kopien ihrer Geburts- und Taufurkunde, Nachweis der Firmung, Einzelheiten aus ihrem Leben vor Eintritt ins Kloster, ein dickes Bündel Papiere mit dem Gutachten Roms über ihre Vision, das auch einen dicken, mit einem roten Wachssiegel versehenen Umschlag enthielt, Berichte über ihre Fortschritte als Novizin im ersten Jahr und Anmerkungen und Ausschnitte aus dem Rundschreiben des Ordens, die ihren Aufstieg im Star of the Sea schilderten. Aber nichts, kein einziges Blatt Papier, das sich auf die Geburt ihres Sohnes bezog.
    »Wo sind die Unterlagen?« Sie drehte sich um, unfähig, die Panik zu verbergen, die sie in sich aufsteigen spürte.
    Schwester Eleanor Marie saß reglos da und musterte sie. Der Blick ihrer Augen hinter den Brillengläsern zeugte von Selbstgerechtigkeit.
    »Was hast du damit gemacht?« Bernie sprang auf, packte die Armlehnen ihres Stuhls und beugte sich vor, ihr Gesicht dem Eleanors bedrohlich nahe. In diesem Moment hätte sie die Wahrheit am liebsten aus ihr herausgeprügelt, doch die Nonne lächelte nur.
    »Ich habe sie vernichtet.«
    »Wie bitte?« Bernie spürte, wie das Blut aus ihrem Gesicht wich.
    »Wie ich bereits sagte, habe ich diesen Tag seit Jahren erwartet«, erwiderte Schwester Eleanor Marie mit ausdrucksloser Miene und erstarrtem Lächeln. »Ich habe seine Akte verbrannt, um den Jungen zu schützen. Hier findet sich keinerlei Nachweis mehr, dass er überhaupt jemals existiert hat. Ich wollte, dass du dich selbst davon überzeugst. Für dich ist er gestorben, Schwester Bernadette Ignatius.«
    Bernie drehte sich um und verließ den Raum. Sie ging wortlos an Schwester Theodore vorbei, die sich im Vorraum des Büros aufhielt und auf Bernies offensichtlichen Kummer und Zorn mit Bestürzung reagierte, bereit,

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