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Eine Frage des Herzens

Eine Frage des Herzens

Titel: Eine Frage des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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ihrer Äbtissin zu Hilfe zu eilen. Bernies Hände zitterten und ihr Herz klopfte, als sie an der Statue der Muttergottes in der Nische vorbeieilte, die ihre Arme ausstreckte. Bernie würdigte sie keines Blickes.
    Sie durchquerte mit weit ausholenden Schritten den Kapitelsaal, vorbei an Schwester Anne-Marie, die darauf gewartet hatte zu erfahren, wie das Gespräch verlaufen war, und ihre Freundin mit großen mitfühlenden Augen betrachtete. Bernie nahm sie kaum wahr. Ihr Herz war gebrochen, alle Hoffnungen waren zunichtegemacht. Sie öffnete die Vordertür des Konvents und ging die Straße entlang.
    Der Himmel über Dublin hatte eine graue Färbung angenommen, die Wolken hingen so tief, dass sie das Kreuz auf dem Dach des Konvents zu berühren schienen. Dicht und schwarz trieben sie über den Bäumen dahin, über den Schieferdächern, den Schornsteinen, den Statuen im Park. Sie kam am O’Malley’s vorüber, warf einen flüchtigen Blick hinter die bunten Blumenkästen und hoffte beinahe, dass Tom noch auf sie wartete. Natürlich war er längst weg. Sie ging die Grafton Street entlang, an den Geschäften und Cafés vorbei zu den Brücken, die über den Liffey führten. Sie lenkte ihre Schritte zum Fluss. Er strömte durch die Stadt, vorbei an den Gebäuden, in denen unzählige Menschen lebten, und unter den Brücken hindurch, die zahllose Menschen überquert hatten.
    Vielleicht ging ihr Sohn durch diese Straßen, überquerte eine der Brücken, wohnte in einem der Häuser. Sie musste nur das richtige Fenster finden, dann würde sie hindurchschauen können und sein Gesicht erkennen. Er war irgendwo in dieser Stadt und wartete auf sie.
    Und auf Tom.
    Bei diesem Gedanken füllten sich Bernies Augen mit heißen Tränen. Sie würde Tom sagen müssen, dass sie ihren Sohn ein für alle Mal verloren hatten. Dass sie ihn nie mehr finden würden. Während sie durch Dublin ging, sah sie, wie sich die Wolken verdunkelten. Es begann zu regnen. Sie spürte, wie Tränen über ihre Wangen liefen, wieder und wieder, während sie ziellos durch die Stadt der Schatten irrte, in der ihr Kind das Licht der Welt erblickt hatte.

4
    W as ist schon dabei, du borgst dir ein Auto. Mehr nicht«, sagte Billy, als Tom kurz vor dem Abendessen sein Jackett anzog und sich anschickte, das Haus zu verlassen.
    »Ich nehme ein Taxi. Oder gehe zu Fuß.«
    »Du bist offensichtlich in Eile. Keine Ahnung, worum es bei dem Telefonat ging, aber du wirkst besorgt. Kann ich irgendetwas für dich tun?«
    Tom zögerte. Bernie hatte sich endlich gemeldet. Sie hatte eine Telefonkarte gekauft und ihn aus einer Telefonzelle in der Nähe des Trinity College angerufen. Sie brauchte ihn, und der schnellste Weg, zu ihr zu gelangen, bestand darin, Billys Angebot anzunehmen.
    »Also gut, wenn du dir sicher bist, nehme ich das Auto.«
    Billy reichte ihm die Schlüssel. »Er steht auf dem Parkplatz, und du kannst für die Dauer deines Aufenthalts darüber verfügen.«
    »Nur dieses Mal.«
    »Hör zu, Tom.« Billy sah ihn an. »Ich weiß nicht, warum du hier bist, aber es liegt auf der Hand, dass da irgendetwas läuft. Keiner von uns weiß, was er für dich tun kann. Du lässt dir ja nie helfen. Behalte den Wagen, solange du hier bist, ja? Dann habe
ich
ein besseres Gefühl.«
    »In Ordnung, Billy. Danke.« Tom eilte zur Tür hinaus.
    Er fand den Wagen, ein schnittiges silbernes BMW - 6 er-Coupé, brandneu und Welten entfernt von dem alten Transporter, den er in Connecticut fuhr. Er sprang mit einem satten Schnurren an, und Tom fädelte sich in den Verkehr ein. Er fühlte sich unbehaglich hinter dem Steuer eines neuen, auffallenden Sportwagens, und dafür gab es mehr Gründe, als er aufzuzählen vermochte. Doch gleichzeitig war er tief berührt von der großzügigen Geste seines Cousins.
    Das Phantastische an einem großen Familienclan war, dass er wie Pech und Schwefel zusammenhielt. Doch Tom war nicht besonders gut darin, sich auf andere zu verlassen. Er verstand sich hervorragend darauf zu erklären, alles sei in bester Ordnung und er brauche keine Hilfe, er schaffe das schon alleine. Während er durch die Straßen fuhr, dachte er an seinen Sohn. Obwohl er nach Möglichkeit jede Unterstützung abzulehnen pflegte, stellte er fest, dass der irische Teil der Kelly-Verwandtschaft ihn beschäftigte.
    Der Vater seiner Cousins war mit vierzig gestorben – an einem Herzanfall, unverhofft und viel zu jung. Sie hatten gelernt, zusammenzuhalten, zu einer Sippe zusammengeschweißt, in

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