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Eine Frage des Herzens

Eine Frage des Herzens

Titel: Eine Frage des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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stärker bewusst als je zuvor.«
    »Bitte hör auf damit, Tom. Die Situation ist auch so schon verwirrend genug.«
    »Dann lass uns den Wirrwarr auflösen. Bringen wir es auf einen einfachen Nenner. Ich liebe dich, Bernie. Ich möchte mit dir zusammen sein wie Mann und Frau.«
    »Ich bin Nonne.«
    »Das sieht man dir aber nicht an«, brach es aus ihm hervor. Er deutete auf ihre Jeans, das T-Shirt und die roten Haare, die ihr über ihre schmalen Schultern fielen.
    »Ich versuche mir über einiges klarzuwerden. Und ich wollte bei meiner ersten Begegnung mit ihm nicht im Habit erscheinen. Ich wollte vermeiden, dass irgendetwas zwischen uns steht – Beschönigungen oder Symbole, alles, was ihn davon ablenken würde, seine Mutter in mir zu sehen.«
    »Jetzt ist er doch gar nicht hier, und du trägst trotzdem keinen Habit. Du stellst dein ewiges Gelübde in Frage, Bernie. Das liegt auf der Hand. Ich weiß es seit dem Abend im Konvent, als du deinen Schleier auf den Boden geworfen hast.«
    Er sah, wie sie zitterte und zurückwich. Sie kehrte ihm den Rücken zu und starrte aus dem Fenster, hinunter auf den Fluss, der dunkel und unerbittlich am Kai vorüberfloss. Weiter draußen, im Dublin Harbor, nahm er eine silberne Schattierung an, spiegelte die bleierne Morgendämmerung wider.
    »Lassen wir das Thema fürs Erste«, sagte sie, bemüht, ruhig zu bleiben. »Wir müssen Seamus finden, mit ihm reden. Er ist bestimmt außer sich, Tom. Die unverhoffte Begegnung mit uns muss ein Schock für ihn gewesen sein.«
    Tom wusste, dass sie damit auch auf sich selbst anspielte. Für sie war das Wiedersehen mit ihrem Sohn gleichermaßen schwer zu verkraften. Auch wenn sie bisweilen ein Rätsel für ihn war, glaubte er sie besser zu kennen als sie sich selbst. Er wusste, wie sie all die Jahre gelitten hatte, kannte die Buße, die sie sich Tag für Tag und Nacht für Nacht auferlegt hatte, weil sie ihr Kind weggegeben hatte.
    Tom hatte den Schmerz in ihren Augen gesehen, hatte die Botschaft gelesen, die sie heimlich in den Stein der Grotte in Connecticut gemeißelt hatte:
Ich schlief, doch mein Herz wachte.
Der Spruch stammte aus der Bibel, aus dem Hohelied Salomos, von dem Bernie immer gesagt hatte, es sei in Wirklichkeit ein Liebeslied.
    »Bernie.« Er stand hinter ihr, die Hand auf ihrer Schulter.
    »Nicht, Tom«, flüsterte sie.
    »Ich dränge dich nicht, ich werde warten, bis du bereit bist.«
    »Du verstehst nicht.« Ihre Stimme wurde so leise, dass er sie kaum hören konnte.
    »Ich glaube, ich verstehe sehr wohl. Besser als jeder andere. ›Ich schlief, doch mein Herz wachte.‹«
    »O Gott«, stöhnte sie.
    »Komm, Bernie.« Er rüttelte sie sanft an der Schulter. »Lass uns Seamus suchen.«
    Sie drehte sich um und holte, seinen Blick meidend, ihre Jacke. Seine Hände kribbelten, als er sie ihr hinhielt, damit sie hineinschlüpfen konnte. Dann sperrte sie die Tür hinter sich zu und ging vor ihm die Treppe hinunter. Sie stiegen in den Wagen seines Cousins und fuhren zum Hotel.

13
    E r ist nicht da«, sagte der Portier an der Eingangstür des Greencastle, als Bernadette und Tom sich nach Seamus erkundigten. »Er hat sich heute krankgemeldet.«
    »Ist alles in Ordnung mit ihm?«, fragte Bernie.
    Doch bevor er antworten konnte, fuhr ein Taxi unter dem Portikus vor, und der Portier warf Bernie und Tom einen entschuldigenden Blick zu, öffnete den Schlag und half den Insassen beim Aussteigen und Ausladen des Gepäcks.
    Bernie trat beiseite, unsicher, wie sie weiter vorgehen sollten. Sie hatte Tom hart zugesetzt, und er war ungewöhnlich schweigsam und wartete offenbar darauf, dass sie das Wort ergriff.
    »Was denkst du?«, fragte sie nach einer Weile.
    Er zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Vielleicht ist er wirklich krank und erscheint morgen wieder zur Arbeit.«
    »Er geht uns aus dem Weg. Das ist der Grund. Meinst du nicht?«
    Tom schwieg. An der Mauer auf der anderen Seite des Innenhofs parkte eine Reihe silberner Mercedes-Limousinen. Der junge Mann, der gestern seinen Wagen poliert und sich mit Seamus unterhalten hatte, war nirgends zu sehen. Bernie wünschte, er wäre da, so dass sie mit ihm reden und herausfinden konnten, ob es Seamus gutging.
    In diesem Augenblick ertönte eine Hupe, und Bernie zuckte zusammen. Tom legte schützend den Arm um sie und zog sie beiseite. Vermutlich ein aggressiver Fahrer, der in Eile war, doch als sie durch die Windschutzscheibe des Wagens spähte, entdeckte sie zwei bekannte Gesichter, die

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