Eine Frage des Herzens
sie anlachten.
»Das hat uns gerade noch gefehlt«, murmelte Tom. »Die Kellys sind da.«
»Schau einer an, wen haben wir denn da!«, rief Sixtus, öffnete die Tür auf der Fahrerseite und warf dem Hausdiener den Autoschlüssel zu. »Cousin Thomas und Schwester Bernadette. Wie geht’s, Bernie?« Er eilte um den Wagen herum und schloss sie in die Arme.
»Gut, Sixtus, danke. Ich freue mich, Sie zu sehen … und Sie auch, Billy. Hallo, alle miteinander!«
»Schwester Bernadette, wie schön, dass wir uns hier treffen«, sagte Billy. »Tom hat uns erzählt, dass Sie geschäftlich in Irland sind, aber dieser Starrkopf weigert sich partout, Sie zum Essen mitzubringen. Liza ist äußerst ungehalten.«
»Tut mir leid«, erwiderte Bernie lächelnd. Nichts vermochte sie so aufzuheitern wie die ungestümen Kellys, die ihre düsteren Gedanken vertrieben. »Ich hatte alle Hände voll zu tun.«
»Reisen Sie inkognito?«, fragte Sixtus stirnrunzelnd, als er ihre Straßenkleidung bemerkte.
»Hör auf, Schwester Bernadette ins Kreuzverhör zu nehmen«, ermahnte ihn Tom.
»Ach Gott, das hatte ich ganz vergessen. Du bist ja ihr Leibwächter. Doch egal, was Sie tragen, Schwester, es ist schön, Sie wiederzusehen.«
»Danke für alles, was Sie für meine Nichte getan haben«, sagte Bernie, rasch das Thema wechselnd, und spielte auf das Gerichtsverfahren an, das ihre Familie vor wenigen Wochen nach Irland geführt hatte.
»Regis Sullivan – ein hübsches Mädchen. Ihr Vater hat den Ärger nicht verdient, den er sich wegen dieser leidigen Geschichte in Ballincastle eingehandelt hat, genauso wenig wie die Kleine. Ich war froh, dass ich den Fall vors Jugendgericht bringen konnte. Der Richter war richtig erleichtert, sie freisprechen zu können.«
»Wie auch immer, wir sind Ihnen sehr dankbar.« Bernie zitterte; sie wusste, dass die Rückkehr ihres Bruders nach Connecticut nach sechs Jahren Haft in einem irischen Gefängnis für ein Verbrechen, das er nicht begangen hatte, und das Wiedersehen mit seinen Kindern in Tom und ihr die Sehnsucht nach ihrem eigenen Sohn geweckt hatten. Familien waren eine erstaunliche Institution mit all ihren Geheimnissen, Bindungen und gegenwärtigen Begebenheiten, die ein Widerhall der Vergangenheit waren. Die Geschichte ihrer Familie hatte sich weitgehend an der Westküste Irlands abgespielt.
»Es ist sehr befriedigend, einem jungen Menschen helfen zu können. Ihre Nichte persönlich kennenzulernen, meinen Beitrag zu leisten, das Trauma zu überwinden, die tragischen Ereignisse in Ballincastle hinter sich zu lassen und ein normales Leben zu führen, das ist mehr wert als alles Geld der Welt.«
Bernie lauschte seinen Worten, unfähig, Tom anzuschauen. Dachte er an Seamus, genau wie sie? Ein silberfarbener Mercedes, Teil der Hotelflotte, bog langsam in das Rondell ein. Bernies Herz drohte auszusetzen. War er es? Doch ein anderer Fahrer, wesentlich älter und mit dunklen Haaren, stieg aus und begrüßte die Fahrgäste, die unter der Markise des Hotels warteten. Ihr wurde bange ums Herz.
»Kommt mit, wir frühstücken zusammen«, schlug Sixtus vor.
»Ja, und keine Widerrede«, erklärte Billy mit Nachdruck. »Wie Tom weiß, sind wir hier Stammgäste, und ehrlich gesagt langweilen wir uns, wenn wir beide alleine sind. Bernie, Sie müssen uns unbedingt erzählen, was Sie in Irland machen und wie es im Star of the Sea läuft.«
»Für mich ist der Besuch der Academy immer ein Lichtblick«, sagte Sixtus. »Unfassbar, was für ein prachtvolles Anwesen Urgroßvater Kelly geschaffen hat. Angesichts all der Auszeiten, die wir bei euch verbringen durften, und der sagenhaften Gastfreundschaft gegenüber den Kellys ist es höchste Zeit, dass wir uns revanchieren.«
»Es tut mir leid, aber es geht nicht«, erwiderte Bernie. »Wir wollten uns gerade auf den Weg machen. Wir haben noch etwas zu erledigen, etwas Wichtiges …«
»Was machen Sie überhaupt in diesem Nobelhotel?« Billy feixte. »Erzählen Sie mir ja nicht, dass der Vatikan Ordensfrauen neuerdings im Greencastle einquartiert. Ich wusste gleich, dass ich bei der Kollekte in der Sonntagsmesse zu großzügig war …«
»Wir haben nach einem alten Bekannten Ausschau gehalten«, entgegnete Tom rasch. »Er arbeitet hier. Das ist alles.« Die Lüge kam mühelos über seine Lippen, und Bernie warf ihm einen Blick ungetrübter Dankbarkeit zu. »Aber jetzt müssen wir wirklich los, die nächste Etappe wartet.«
»Das ist außerordentlich
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