Eine französische Affäre
Pferden vor dem Nachmittagsprogramm ihre wohlverdiente Ruhepause gönnen. Übrigens wäre es eine große Ehre für mich, wenn Sie mir die Freude machten, mit mir zu Mittag zu speisen.«
»Ich bin entzückt, Durchlaucht, Ihre Einladung anzunehmen«, erwiderte Canéda. Sie fühlte freudige Erregung in sich aufsteigen, weil ihr bewußt wurde, daß ihre Hoffnungen Gestalt anzunehmen begannen und ihre Rechnung aufging.
Canéda ritt mit Ben im Gefolge neben dem Herzog her durch einige enge Straßen, bevor sie den steilen Weg, der zum Schloß hinaufführte, erreichten. Als sie oben ankamen, bemerkte sie den Graben, der das Schloß umgab. Über ihn lief eine Brücke, die in den Innenhof des Schlosses führte.
Stallburschen kamen, um ihnen die Pferde abzunehmen und sich um Ben zu kümmern, während der Herzog Canéda durch ein großes Tor, das mit dem in Stein gehauenen Wappen der Saumacs geschmückt war, ins Innere des Schlosses führte. Sie stiegen eine steinerne Treppe zu einem großen Salon mit hohen, schmalen Fenstern hinauf.
Ohne ein Wort zu sagen, trat Canéda an das nächste Fenster und hatte eine Aussicht, die so atemraubend war, daß sie einen Augenblick sprachlos dastand.
Das Tal der Loire lag vor ihr, und der Fluß wand sich durch die flachen grünen Wiesen, die sich bis zum dunstigen Horizont erstreckten.
»Ich nehme an, Sie würden gerne Ihre Hände waschen, bevor wir essen«, meinte der Herzog.
Vor dem Salon wartete eine Zofe, um sie zu einem großen Schlafzimmer im selben Stock zu bringen.
Es war so prächtig und geschmackvoll ausgestattet, daß Canéda vermutete, es sei eines der Prunkzimmer, und sich fragte, ob es von den berühmten Herzoginnen von Saumac benutzt worden war. Sie wollte das Mädchen fragen, ob ihre Annahme richtig sei, dachte dann aber, daß es ein Fehler wäre.
Sie wagte auch nicht, nach der Mutter des Herzogs zu fragen, obwohl ihre Neugierde durch die Tatsache angestachelt war, daß sie Engländerin gewesen war. Dann war da noch die Frau des Herzogs. Ob er sie wohl geliebt hatte? Ob er sie anziehend gefunden hatte, bevor sie wahnsinnig geworden war?
Während Canéda sich die Hände wusch und den Reithut abnahm, um ihr Haar in Ordnung zu bringen, hatte sie den Eindruck, daß ihre Phantasie mit ihr durchging.
Es war alles so aufregend, weil sie kein Recht zu dem hatte, was sie tat, und Harry es höchst tadelnswert gefunden hätte.
Sie hatte niemals zuvor mit einem Mann allein zu Mittag oder zu Abend gegessen, weil sie, seitdem sie in London war, immer von einer der Tanten Lang streng beaufsichtigt worden war. Dann erinnerte sie sich, daß noch eine wichtige Aufgabe vor ihr lag, nämlich den Herzog zu reizen und an sich zu fesseln.
Sie betrachtete sich im Spiegel.
Sie wäre sehr dumm gewesen, wenn sie nicht erkannt hätte, daß sie mit ihren klaren, klassischen Gesichtszügen eine Schönheit war. Ihre leuchtend blauen Augen und ein schalkhafter Zug um den Mund stellten für jeden Mann eine Falle dar, der sein Herz nicht hinter Stahltüren verschlossen hatte.
Ob der Herzog wohl unzugänglich geworden war, als seine Frau geisteskrank wurde? fragte sie sich. Hatte er als Folge davon geradezu eine Abneigung gegen Frauen gefaßt? Irgendwie war sie sicher, daß das nicht der Fall war.
Er hatte etwas an sich, das ihr sagte, daß er sehr männlich war.
Auf Canédas Lippen lag ein Lächeln, als sie in den Salon zurückging.
Der Herzog stand wartend vor einem großen Kamin. Er bewegte sich nicht, als sie den Salon betrat; er beobachtete sie nur, während sie auf ihn zuging. Er wartete, bis sie neben ihm stand, ehe er sagte: »Sie gehen mit einer Grazie, die überraschend ist.«
»Warum überraschend?« wollte Canéda wissen.
»Weil die meisten Frauen, die so gut wie Sie reiten, nicht so gut gehen, wie sie auf dem Pferd sitzen.«
Ein Diener kam mit Weingläsern herein.
»Der Wein ist von meinen eigenen Weingütern, und ich hoffe, er schmeckt Ihnen«, sagte der Herzog.
Der Wein war kühl und köstlich, und weil ihre Gedanken sofort zu den Weingütern wanderten, die ihren Großeltern gehörten, fragte Canéda: »Die Weinstöcke sind doch gesund?«
»Ich kann nicht klagen«, erwiderte der Herzog.
»Ich habe nämlich gehört – es muß in Angers gewesen sein –, daß die Weingärten an der Dordogne von der Reblaus befallen sind.«
»Die Sache ist ernst«, sagte der Herzog, »und wir können nur beten, daß wir im Norden verschont bleiben.«
Canéda wollte das Thema nicht
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