Eine französische Affäre
Großvater für deine Mutter hält.«
»Ist es wahr«, fragte Canéda, »daß er so ist, seit Mama fortgegangen ist?«
»Ich habe immer gehört«, erwiderte Armand, »daß er erst furchtbar wütend war und dann sehr verbittert.«
»Und jetzt?«
»Jetzt, wo all die anderen Sorgen dazugekommen sind, gehen seine Gedanken in die Vergangenheit zurück«, sagte Armand. »Er spricht oft, als sei die Zeit vor zwanzig Jahren stehengeblieben, und deshalb hätten wir uns, wenn wir halbwegs vernünftig gewesen wären, darüber im klaren sein müssen, daß er dich für deine Mutter halten würde.«
Es trat Stille ein, dann mußte Canéda endlich die Frage stellen, die ihr auf den Lippen brannte. »Hat der Herzog von Saumac Mama wirklich geliebt?«
»Das hat mir meine Mutter erzählt«, erwiderte Armand.
»Papa hat gesagt, er hat sie angehimmelt«, warf Hélène ein. »Er war viel älter als sie, aber Papa hat gesagt, er wirkte wie ein junger Mann, der zum ersten Mal in seinem Leben verliebt ist.«
»Ich nehme an, es ist wahr«, sagte Armand. »Schließlich weiß Canéda, daß in Frankreich die Ehen von den Eltern arrangiert werden, und nur beim zweiten Mal haben wir die Möglichkeit, unsere Frauen selbst auszuwählen, statt daß es die Familie für uns tut.«
»Mama dachte, der Herzog wollte sie nur heiraten, weil er noch mehr Kinder haben wollte«, meinte Canéda.
»Ich bin sicher, daß das nicht wahr ist«, antwortete Hélène, »es war wirklich alles sehr romantisch.«
»Erzähle mir, was du weißt«, bat Canéda.
»Der Herzog sah deine Mutter auf einer Gesellschaft und verliebte sich in sie, und natürlich war es Großvater, der seinen Antrag annahm; deiner Mutter wurde wohl nur gesagt, daß sie Herzogin werden würde.«
»Ja, das ist wahr«, gab ihr Canéda recht.
»Unsere Eltern haben uns immer erzählt, daß der Herzog so verliebt in sie war, daß er, als sie verschwand, dem Wahnsinn nahe war und, als schließlich bekannt wurde, daß dein Vater deine Mutter geheiratet hatte, davon sprach, sich das Leben zu nehmen.«
»Ich kann es nicht glauben!« rief Canéda aus.
»Doch, es ist wahr«, sagte Armand. »Mir hat man dieselbe Geschichte erzählt, nicht nur mein Vater und meine Mutter, sondern auch andere Bantômes, die damals zugegen waren.«
»Großvater wurde das Leben von dem Herzog schwergemacht, und er war auch selbst sehr unglücklich«, sagte Hélène. »Er liebte deine Mutter, vielleicht mehr als seine anderen Kinder, und ich glaube, gerade deswegen konnte er es nicht ertragen, über sie zu sprechen oder auch nur hinzunehmen, daß sie noch lebte; aber sie hatte nun einmal einen Engländer geheiratet.«
Canéda stieß einen Seufzer aus.
Es war alles so ganz anders, als sie geahnt hatte, und sie mußte sich gestehen, daß die Begegnung mit ihrem Großvater, der nicht mehr ganz bei Sinnen nach ihrer Mutter rief, sie sehr erschüttert hatte.
In ihrem Schlafzimmer, das höchst imposant und eines der Prunkzimmer war, wie Hélène ihr sagte, löste sich der Seidenbrokat teilweise von den Wänden. Die wunderbar bemalte Decke wies feuchte Flecken auf, und die Stühle mußten neu gepolstert werden.
Hélène bemerkte Canédas Blicke und sagte leicht peinlich berührt: »Es müßte hier eine ganze Menge geschehen, aber man hat in den letzten Jahren zu drastischen Sparmaßnahmen greifen müssen.«
»Willst du damit sagen, daß die Bantômes in Geldnot geraten sind?« fragte Canéda.
Hélène blickte sie überrascht an. »Aber ja! Wußtest du das etwa nicht?«
»Woher sollte ich das wissen, da wir doch all die Jahre über in keinerlei Briefwechsel miteinander standen, wenn man einmal von dem Brief absieht, der vor einigen Wochen mit der Einladung an meinen Bruder und mich ankam.«
»Großmutter hat euch geschrieben?« rief Hélène aus.
»Ja.«
»Sie hat nie ein Wort von dir gesagt, bis dein Diener ankam und meldete, daß du auf dem Weg von Bordeaux hierher bist.«
Canéda blickte erstaunt drein.
Hélène fuhr fort: »Ich kann mir schon denken, was in ihr vorgegangen ist. Sie braucht deine Hilfe.«
»Darum hat sie allerdings gebeten«, sagte Canéda kalt.
»Ich nehme an, wir sind in einer so verzweifelten Lage, daß sich Großmutter an jeden Strohhalm klammert. Allerdings bin ich sicher, daß Papa und Mama genauso überrascht wie ich sein werden, daß sie dich tatsächlich eingeladen hat, hierher zu kommen.«
Canéda hatte bereits erfahren, daß der Bruder ihrer Mutter, René, und dessen Frau, die
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