Eine franzoesische Affaere
verschieben. Es
war ein kleiner Drahtseilakt und am Tisch würde mal wohl irgendwann glauben,
dass sie unter einer nervösen Blase litt. Immerhin hatte sie die Entschuldigung
sterblich zu sein. Solche Wehwehchen kannten Vampire ja wohl kaum. (*Die arme
Kleine)
„Dein Dad
sieht aus, als könnte er einen eau-de-vie * vertragen!“, wisperte sie
Malcolm zu und musste sich das Grinsen verbeißen, weil seine Eltern nun sicher
auf glühenden Kohlen saßen. Sie wussten schließlich nicht, mit wem sie es zu
tun hatten und was nun auf den Tisch kommen würde.
(*Schnaps)
Noch bevor das Essen abgetragen wurde, entschuldigte sich Sid vom Tisch und
sauste in die Küche, sobald sie aus der Sichtweite der Gäste war. Das nächste
Mal würde sie ein Paar Sneakers einpacken, um kleine Sprints besser hinlegen zu
können. In der Küche rief sie alle zur Hilfe, die nicht mit Abtragen
beschäftigt sein würden. Sie hatten genug Zeit, sich um die Dekoration der
Dessertteller zu kümmern, da hier ja nicht am Fließband aufgetragen wurde.
Sid führte an zwei Tellern vor, wie sie sich das Servieren der Nachspeise
vorstellte und sah den Küchenhelfern dann bei ihren Versuchen zu, wobei sie hie
und da eine Verbesserung anordnete.
„ Très
bien! Ihr wart wirklich eine große Hilfe. Ohne euch hätte ich das bestimmt
nicht geschafft. Merci mille fois. Ich muss nun zurück zu den Gästen,
sonst fällt meine Abwesenheit zu sehr auf. Es soll ja so aussehen, als wäre
alles schon von langer Hand geplant. Ich sehe später noch mal rein.“,
verabschiedete sich Sid schließlich, wobei ihr durch den Kopf ging, dass sie mit
einer anderen Crew wohl noch einen Umtrunk genommen hätte, um auf die
geleistete Arbeit anzustoßen. Sie wusste nur nicht, ob ein solcher Vorschlag
hier angebracht war.
Sid zog mit Hilfe der jüngsten Lost Soul die Schürze über den Kopf und eilte
dann hinaus in die Vorhalle, wo sie ihr Aussehen schnell in einem dekorativen
Wandspiegel überprüfte. Bis auf ein wenig Farbe auf den Wangen und einem
Funkeln in ihren Augen konnte sie nichts Verräterisches entdecken. Und diese
Dinge konnte man dem Champagner zuschreiben oder ihrem Begleiter. Mit einem
zufriedenen Seufzen nahm sie wieder neben Malcolm Platz und versuchte,
vollkommen unschuldig auszusehen.
„ L’ heure
de la vérité * …“, murmelte Sid, als die Nachspeise schließlich aufgetragen
wurde.
Sie kam sich vor wie ein Jungkoch, der gerade eine wichtige Prüfung ablegte und
ihr Herz klopfte nun doch vor Aufregung, obwohl sie wirklich alles gegeben
hatte, um die kleine Improvisation vollkommen geplant erscheinen zu lassen.
(*Die Stunde der Wahrheit.)
Der Demi-cuit verströmte ein verlockendes Aroma, als die Teller mit der
noch warmen Nachspeise hineingetragen wurden. Sid hatte die Rosenblätter
kandiert, so dass sie geheimnisvoll im Licht glitzerten und jeweils zwei der
Blätter als Unterlage für das Champagner-Trüffel-Praliné benutzt, das sie
vorhin noch auf die Schnelle hergestellt hatte. Das rautenförmige Stück
Schokoladenkuchen mit dem noch flüssigen Kern war mit Puderzucker dekoriert und
über dem Teller hatte sie Kerne von Granatäpfeln regnen lassen, um den Eindruck
zu erwecken, es handelte sich dabei um kleine Blutstropfen. Sids Augen
leuchteten auf, weil jeder Teller perfekt gelungen war, wie sie nach und nach
feststellen konnte.
Oh, Papa!
Ich wünschte, du könntest das sehen! Ohne deinen Zuspruch hätte ich das niemals
hinbekommen.
Sid nahm einen tiefen Atemzug und blinzelte gegen die aufsteigenden Tränen an.
Es kam ihr fast so vor, als hätte ihr Vater ihre Handgriffe gelenkt, die er ihr
ja schließlich beigebracht hatte. Sie tat so, als würde sie die Serviette auf
ihrem Schoß zurecht schieben, um ihre Aufgewühltheit zu verbergen. Es war lange
her, dass sie sich wirklich an eines der Rezepte ihres Vaters herangewagt hatte
und dabei nicht ein unendlich beklemmendes Gefühl in der Brust verspürt hatte.
Dafür war einfach keine Zeit gewesen. Den ersten Schritt hatte sie getan, indem
sie Malcolm versorgte, der sie irgendwie aus einem Dornröschenschlaf geweckt
hatte. Die Trauer hatte sie innerlich gelähmt und eine nie gekannte Kälte in
ihr aufsteigen lassen. Sie war natürlich noch lange nicht über den Tod ihres
Vaters hinweg, aber es würde nun nicht mehr so unendlich wehtun, dass man den
Eindruck hatte, nie wieder echte Freude im Leben empfinden zu können.
Während
einige der Gäste schon bewundernde Laute ausstießen, als sie erst einmal
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