Eine franzoesische Affaere
der Gäste seiner Frau zu widersprechen. Das Dessert war ein Gedicht und
um nichts in der Welt würde er als Gourmet diese köstliche Kreation abwerten,
nur weil eine Sterbliche dafür verantwortlich war. Ganz im Gegenteil, die neue
Freundin seines Ältesten schien ja doch das ein oder andere Talent zu besitzen.
Unter diesen Umständen ließ sich glatt ein Auge zudrücken, was ihre Anwesenheit
betraf.
“Dann also
ein Hoch auf Miss St. Pierre. - Es ist wirklich ganz ausgezeichnet.”,
bestätigte Mr. Lancaster die Aussage seiner Frau und die anderen Gäste am Tisch
hoben ebenfalls zu Sidonies Wohl die Gläser an.
Sid wäre vor
Überraschung beinahe vom Stuhl gefallen, weil sie das Lüften ihres Inkognitos
wirklich nicht eingefordert hätte. Die Kochkünste von Madame konnten sich
nämlich wirklich sehen lassen. Davon hatte sie ja das Kosten der anderen Gänge
überzeugt. Mrs. Lancaster führte einen strenges aber begnadetes Regiment.
Diesmal zwang sie sich, den Blick anzuheben, weil alles andere unhöflich
gewesen wäre und lächelte den Gästen entgegen, die ihr offen Komplimente
machten. Sie wusste gar nicht, was sie darauf antworten sollte.
Der größte Dank gebührt Papa.
Er hätte sich bestimmt gut mit Malcolms Mutter verstanden, nachdem es zu einer
explosiven Diskussion in ihrer Küche gekommen wäre, hätten sich ihre Wege
jemals gekreuzt. Und es hätte ihm diebische Freude bereitet, die erstaunten
Gesichter seiner Kontrahenten entgleisen zu sehen, wie es oft genug mit
hochnäsigen Kritikern geschehen war.
“Siehst du?
-Es wird alles gut.” Malcolm, der sein Glas leicht mit dem von Sid
zusammenstieß, konnte sich ein zufriedenes Lächeln nicht verkneifen. Es hatte
alles hervorragend geklappt. Die anderen Immaculates überschlugen sich förmlich
mit Lobpreisungen über Sids gefertigte Köstlichkeit und es würde ihn nicht
wundern, wenn der ein oder andere einen Nachschlag verlangte. Zum ersten Mal in
der sonst so gesitteten Tafelgeschichte der Lancasters.
Seine Eltern hatten Sid offen gelobt. Das kam ungefähr einem Ritterschlag
gleich und bedeutete Sid schon mal, dass die Türen zum Haus der Familie für sie
zumindest jederzeit geöffnet waren, wenngleich eine herzliche Umarmung und die
Bezeichnung Schwiegertochter noch ein wenig auf sich warten lassen
würde. Doch das war in Ordnung. Er hatte als ersten Schritt für Sid nur
gewollt, dass seine Eltern sie wenigstens akzeptierten. Mit dem Dessert und der
Bekanntmachung der wahren Köchin war dies einwandfrei geschehen.
“Ich liebe
dich.” Malcolm wandte den Kopf, um einen Kuss auf Sids Schulter zu hauchen und
hielt irritiert mitten in der Bewegung inne.
Draußen im Garten hatte er sie mit seinen Zähnen verletzt. Die Spitzen waren
eindeutig über das zarte Fleisch geglitten und hatten Kratzer hinterlassen, als
das Mädchen sie erschreckte. Es hatte geblutet. Er war sich ganz sicher. Er
hatte es ganz deutlich schmecken können…oder war das doch nur Einbildung und
Wunschvorstellung gewesen? Hatte er Metall gepaart mit blumiger Süße
geschmeckt, weil er es schmecken wollte? War der Duft der Rosen und der
Nachgeschmack der Zigarette zu etwas anderem verkommen, während er sich
vorstellte, Sid zu kosten, sich an ihr zu laben und sich gleichzeitig mit ihr
zu vereinigen?
Sid bemerkte sein plötzliches Zögern und Malcolm führte den Kuss zu Ende.
“Ich dachte,
ich hätte dir da draußen wehgetan, Sid.”, murmelte er und setzte sich wieder
aufrecht, um sich dem Nachtisch zu widmen, dem selbst er nicht widerstehen
konnte, obwohl er für gewöhnlich kaum Süßes aß und mochte. Er sah schon
Gespenster, wo keine waren. Wahrscheinlich hatte er sich doch mehr um Sids
Akzeptanz gesorgt, als er zugeben mochte.
Sid hielt
kurz die Luft an und sah ihn erwartungsvoll an. Sie durfte sich am Tisch zu
nichts hinreißen lassen. Ihre Begegnung im Garten war noch allzu präsent. Sie
spürte immer noch die scharfen Spitze seiner Zähne, die kleine Rillen in ihre
Haut gruben.
„Nein… hast du nicht.“, hauchte sie atemlos und wünschte sich, er hätte es
getan. Ein kleiner Kratzer hätte sie bestimmt nicht gestört. Lieber würde sie
die kleinen Narben seiner Verletzung tragen als die der Ratten, die nur langsam
verblassten, als wollten sie sie beständig an die Gefährlichkeit dieser
Kreaturen erinnern.
Auf jeden Fall war sie erleichtert, als die allgemeine Aufmerksamkeit sich
wieder anderen Dingen zuwandte. Die Herren zogen sich nach dem Dessert zurück,
um dem
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