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Eine franzoesische Affaere

Eine franzoesische Affaere

Titel: Eine franzoesische Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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sie zu dringen, um sie komplett zu erfassen und zu verstehen, legte er
die linke Hand an die Scheibe und sah tatenlos dabei zu, wie das Gefährt
wendete und sie zurück in die Stadt brachte.
Er konnte sie doch nicht einfach so gehen lassen, sie hatte ihre Jacke
vergessen. Kaum gedacht, war er schon unten auf der Straße. An derselben
Stelle, an der Sid nur Sekunden zuvor gestanden hatte. Sie war nicht mehr da.
Die roten Rücklichter des Taxis kündeten davon, dass er zu spät gekommen war.
Malcolm fühlte sich wie erstarrt. Wie betäubt hob er die Jacke an sein Gesicht,
nahm einen tiefen, schmerzhaften Atemzug und ließ es zu, das der Schmerz noch
schlimmer wurde, als er ihren unverwechselbaren, lieblichen Duft wahrnahm, der
ihm beinahe Tränen des Verlusts in die Augen trieb.
    "Es tut
mir so leid.", flüsterte er wie eine Beschwörungsformel in den hellgrauen
Stoff. "Das musst du mir glauben."
    Sid drehte
sich nicht noch einmal nach der Villa um. Es würde sowieso niemand zum Abschied
winken. War Malcolm jetzt erleichtert, dass sein Bruder gekommen war? Würden
sie jetzt unten zusammen sitzen und sich gegenseitig versichern, wie vernünftig
diese Entscheidung gewesen war?
Vielleicht würde sie ihm eines Tages zustimmen und lernen, dass Träume in der
wirklichen Welt keinen Platz hatten. War es nicht das, was Papa ihr immer
gepredigt hatte?
Die Fahrt zurück erschien ihr wie eine grausame Folter, sie fühlte sich
verloren auf dem geräumigen Rücksitz des Taxis. Zitternd schlang sie die Arme
um den Oberkörper und lehnte die Stirn an die kalte Scheibe, während Lichter an
ihr vorbeizogen, die sie nur verschwommen wahrnahm. Völlig gleichgültig
bezahlte sie die horrende Summe, die die Fahrt verschlungen hatte. Dann stand
sie vor dem Gebäude, in dem sich ihr kleines Apartment befand. Es war ein
anonymer, grauer Kasten, in dem sich früher eine Fleischfabrik befunden hatte.
Sid hätte sich etwas Teureres leisten können, aber sie wollte auch kein Geld
verschwenden, wenn sie ihren Aufenthalt hier weiter unnötig in die Länge zog.
Das war kein Zuhause und keine Zuflucht, in der sie Schutz und Trost finden
würde. Einen solchen Platz gab es nicht mehr. Die Küche ihres Vaters war
verlassen, ihre gemeinsame Wohnung weiter vermietet und die Möbel und andere
persönliche Dinge sorgfältig eingelagert.
Sid betrat die Eingangshalle und nahm die Treppen bis zur vierten Etage, wo sie
müde den Gang hinunterlief, bis sie ihre Tür erreicht hatte. Drinnen ließ sie
die Tasche einfach auf den Boden fallen und taumelte in Richtung Schlafzimmer,
wo sie sich auf das Bett fallen ließ und schmerzhafte Atemzüge nahm, die sich
beinahe wir ein Schluchzen anhörten. Die Tränen wollten nicht fließen und Sid
krümmte sich zusammen und quälte sich mit ihrer Unfähigkeit, der Trauer ihren
Lauf zu lassen. Sie fühlte sich innerlich wie abgestorben, als hätte sie alles,
was sie ausmachte, zurückgelassen. Sie wand sich wie unter Krämpfen, konnte
jedoch keine Erleichterung finden. Selbst ein Blick auf die Rose, die auf ihrem
Nachttisch stand, löste die Barrieren nicht auf.
    Wieder und
wieder stiegen Bilder in ihr auf, die sie nur weiter zu Eis erstarren ließen.
Malcolm auf der Straße, der versuchte, die naseweise Kellnerin loszuwerden… Wie
er an die Scheibe des Diners geklopft hatte, um einen nächtlichen Besuch zu
machen… Ihr erster Kuss… Sid stöhnte auf und grub das Gesicht in ihr Kissen,
das sich kalt und abweisend anfühlte. Nicht so wie bei ihm zuhause, wo sie den
anregenden und tröstenden Duft seiner Haut noch von den Kissen und Bettlaken
hatte aufnehmen können.
Die Stunden vergingen und Sid fand sich irgendwann auf dem Rücken liegend
wieder, während sie mit brennenden aber tränenlosen Augen in die Dunkelheit
starrte. Sie sollte sich mit irgendetwas Schönem ablenken, doch es gab nichts,
was den Verlust aufwiegen oder geringer machen würde.
Das brachte sie nur dazu, an ihren Vater zu denken und dass sie vollkommen
allein in der Welt stand. Es gab tatsächlich keinen Menschen, der sie vermissen
würde. Die Bekannten in Paris lebten ihre Leben weiter und hier war sie noch zu
neu, um feste Bande geknüpft zu haben.
     

5. Petites Causes…
    (Franz. Kleine
Ursache(n)…)
     
    Freitag,
28. September
    Schließlich
war Sid irgendwann in einen unruhigen Schlummer geglitten, in dem sie unbewusst
nach Malcolm rief und sich von einer Seite auf die andere warf, bis ihre Augen
wieder aufflatterten, weil die Sonne langsam am

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