Eine franzoesische Affaere
erfuhr er es erst mit dem heutigen Dienstantritt.
Das war also die Zivilistin gewesen, die sie im Central Park verloren hatten.
Eine Sophora. Eine, die doch am besten wissen musste, wann man zuhause blieb.
Sein Mitleid hielt sich in Grenzen, die Wut über die Vorwürfe, die ihm im
Nachhinein trotz seines couragierten Einsatzes gemacht worden waren, jedoch
nicht. Sie sollten alle auf der Suche nach einer Spur sein, die sich längst
verloren hatte. Nach zwei weiteren Tagen und einer ganzen Nacht. Das hier war
die zweite nach dem Vollmond. Die Sophora war längst tot oder so gut versteckt,
dass man sie nie finden würde. Es ging das Gerücht um, das Jeanne nicht einmal
einen besonderen Duft hatte, der sie verraten könnte. Trocken wie der Sand in
der Sahara. Kein Leben in dieser Frau, für die der Tod dann wohl die bessere
Alternative sein musste. Oder auch nicht. Wenn Malcolm jetzt an den Tod
dachte und dann wieder an Sid, war das wohl kaum eine Lösung oder erleichternde
Maßnahme, die ihn von seinen Qualen befreite. Das Leben musste nun mal
weitergehen, ob nun mit ihr oder ohne sie. Es war egal, wie sehr das schmerzte.
Er hatte gelernt, gewisse Dinge aushalten zu müssen.
Hoch oben auf
einem der angrenzenden Gebäude zum Lancaster Building stand er. Mantel und
Haare wehten im Wind, der es aber nicht schaffte, durch seine Gedanken zu
wirbeln und Klarheit darin zu schaffen. Der gefallene, schwarze Engel der
Nacht.
Malcolm dachte die ganze Zeit an Sid und daran, wie sie sich jetzt fühlen
musste. Er hatte sie den ganzen Tag über unbemerkt verfolgt. Seit Arbeitsbeginn
sozusagen. Er selbst hatte heute nicht ins Büro gehen können. Seine
Konzentration war schlichtweg nur auf ein Ziel gerichtet: Sid.
Sie saß irgendwo dort unten, für ihn in diesem Moment kaum größer als eine
Ameise, doch aufgrund der Nähe, die sie miteinander geteilt hatten, konnte er sie
deutlich wahrnehmen. Ein hauchdünner roter Faden, der sich von der Erde zu ihm
herauf schlängelte und dann plötzlich in der kühlen Nachtluft zerriss.
Malcolm merkte auf. Er lauschte in die Dunkelheit, vernahm aber keinen Laut,
obwohl er die Gefahr witterte, die irgendwo dort unten zu lauern schien. Ohne
weiter zu zögern, stieß er sich vom Dach ab, sprang von Feuerleiter zu
Feuerleiter gleich mehrere Meter hintereinander in die gähnende Tiefe unter
ihm.
Der Aryaner
hatte sich gerade zu einem ganzen Körper zusammengesetzt. Ekelhaft gelbe
Reißzähne schimmerten im Licht einzelner Straßenbeleuchtungen, die den
Steingarten säumten. Rote Augen glühten gierig vor Hunger, während sich die
letzten pelzigen Schemen um den toten Leib zu altmodischen Kleidern aus dem vorletzten
Jahrhundert formten.
Nur wenige Schritte und er würde Sid erreicht haben. Malcolm rannte schneller.
Als er ahnte, zu spät zu kommen, wenn er seinen Weg zu ihr auf diese Seite
fortsetzte, entmaterialisierte er sich mitten im Laufschritt und gezogener
Waffe direkt in den Weg seines Feindes. Dieser ließ sich nicht überraschen. Ein
lautloses Handgemenge entbrannte und Malcolm kämpfte verbissen ruhig, um die
Aufmerksamkeit Sids erst so spät wie möglich auf sich zu lenken. Er traf den
Aryaner mit seinem Schwert in die Eingeweide, schnitt tief und schwarzes Blut,
rattiges Etwas und Gedärme ergossen sich zu seinen Füßen. Der Aryaner brach mit
einem quiekenden Laut in seine tierische Gestalt zusammen und versuchte,
Malcolm beizukommen, in dem er ihn in Form von pelzigen Nagetieren überrannte.
Malcolm trat so viele Ratten wie möglich fort, um sie von Sid fernzuhalten,
doch die grässlichen Viecher durchschauten schnell sein Spiel und stürmten an
ihm vorbei auf die Frau zu, die sie sich ja schon als ihre Beute auserkoren
hatten.
Sid wurde
tatsächlich immer kälter, so regungslos wie sie auf dem nackten Stein saß. Sie
tat jedoch nichts weiter, außer die Schultern ein wenig zusammen zu ziehen. Der
Schock über den Verlust der Mutter saß einfach zu tief. Oder vielmehr die
Erkenntnis, dass sie wirklich eine Halbwaise gewesen war. Nun wusste sie auch,
warum ihr Vater kaum ein Wort über die Frau verloren hatte, die sie geboren
hatte.
Passten Kind und Mann nicht in ihre Vorstellung von Leben?
Sid spürte Tränen aufsteigen, die jedoch nur einen dumpfen Schmerz in ihren
Schädel trieben, weil sie nicht fließen wollten. Selbstmitleid war wohl kaum
angebracht. Sie war bestimmt nicht das erste Kind, das nicht gewollt worden
war. Dafür hatte sie einen sehr liebevollen Vater gehabt.
Und sie
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