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Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Titel: Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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Emil Arbanassi mit einigen Worten und Gesten Barbara Berlins in Widerstreit. Mich interessierte es nicht, wer von ihnen recht hatte. Seit ich in Barbara Berlins Diensten stand, schreckte ich nachts häufig auf, weil mir mein Herz die Brust zu sprengen drohte. Ich hielt Barbara Berlins Stirn und zitterte. Die Spurensucherin wachte davon nicht auf.
    Wo ist denn Ihre Frau, bedrängte Barbara Berlin Emil Arbanassi, am äußersten Rand eines breiten Tales stehend. Mit der Hand beschattete sie ihre Augen. Sie redete zu dem Bauern, ohne ihn anzusehen. Ihre Schultern schienen zu beben. Wir standen am Rande eines Gebietes, das noch nicht freigelegt war, aber einiges versprach. Emil Arbanassi hatte einen langen, gebogenen Stock, was nur bedeutete, daß er einmal ein breites Grab für sich beanspruchen würde. Über dem Tal wälzte sich schmutziger, watteartiger Nebel. Manchmal waren aus dem Gestrüpp, dem Dickicht der Bäume am Ufer herrenlose Schreie zu hören. Wir wußten, daß wir die Urheber der verirrten Schmerzensschreie vergeblich suchen würden. Es gibt eine Vermutung, wonach solche Schreie nur an Gott gerichtet sein können. Ich weiß nicht. Doch dann muß es, wenn es einen Schrei gibt, auch Gott geben. Manchmal fiel uns eine tote Krähe wie ein Stein vor die Füße. Emil Arbanassi kratzte sich verlegen die Stirn.
    Ich spüre, daß hier mein Bruder ist, deutete er in die Runde.
    Wo, seufzte enttäuscht Barbara Berlin.
    Der Mann zeigte auf einen in blauen Dunst gehüllten Waldstreifen.
    Da irgendwo, meine Dame.
    Aber mir, Emil Arbanassi, haben Sie zuletzt von Ihrer Frau erzählt. Sie erzählten von ihrem blauen Haar, ihren blauen Augenbrauen, davon, daß blauer Flaum ihren Schenkelansatz bedeckt, sogar von ihrem Schatten haben Sie mir erzählt, der ebenfalls blau über der Erde strahlt.
    So ist es, nickte der Mann ungehalten, ich habe Ihnen erzählt, daß die Nägel meiner Frau blau lackiert sind. Ja. Nur daß sie weiter weg ist, trotzdem. Einen halben Tagesmarsch, glaube ich.
    Glauben Sie es oder wissen Sie es, fragte kopfschüttelnd Barbara Berlin und sah den Mann noch immer nicht an. Sie beobachtete das Vögelchen, das ihr auf den Handrücken geflogen war. Irgendein Singvogel vermutlich. Ein Fink, eine Amsel oder eine Nachtigall. Ich kenne mich da nicht aus. Emil Arbanassi antwortete schwerfällig.
    Warum sollte ich sie Ihnen nicht zeigen, sagte er und machte sich gleich auf den Weg.
    Warten Sie, sagte Barbara Berlin. Sie hob ihre Hand mit dem Vogel unters Kinn. Ein ziemlich großer Honigtropfen tropfte herab und verklebte die Flügel des Vogels. Ich glaube, in diesem Augenblick verliebte ich mich, einfältig wie ich bin. Natürlich. Ich beobachtete den leise schreienden Vogel. Die Spurensucherin warf ihn an den Rand des Grabens. Barbara Berlins Blick blitzte mich an.
    Damit wir den Weg zurück finden, sagte sie.
    Und die toten Vögel, fragte ich.
    Die fallen überall herab, sagte Barbara Berlin.
    Das stimmt, nickte Emil Arbanassi.
    Der Bauer ging los. Und wir trotteten ihm schwerfällig hinterher, Barbara Berlin, die in Jakulevo Verliebte, und ich, ein herumstreunender Hilfsarbeiter, bescheiden, mit Spaten und Spitzhacke auf der Schulter. In der Tat fielen überall Vögel vom Himmel. Und jenseits der Nebelschwaden kamen sie alle tot an. Ihr dumpfer Aufprall begleitete uns auf unserem Weg. Wir waren kaum ein paar Stunden marschiert, als wir an ein menschenleeres Gehöft kamen. Nackte und stumme Wände, leere Viehställe, verkohlte Balkenstümpfe ragten aus der Erde. Großer Reichtum dürfte hier nie geherrscht haben, aber Leben, das hatte es gegeben, mit Sicherheit.
    Wir sind in die falsche Richtung gegangen, hüstelte verlegen der Bauer, das hier ist nicht meine Frau.
    Wer dann, fragte Barbara Berlin gereizt.
    Mein Enkel.
    Da schaute Barbara Berlin den Mann zum ersten Mal an. Wo?
    Im Brunnen, und Emil Arbanassi zeigte auf das Gemäuer mit dem Deckel.
    Er hielt den Strick fest, an dem ich mich in die nach Kadavern stinkende Tiefe hinunterließ. Zuerst mußte ich die Steine im Brunnen beiseite räumen. In jeden der Felsblöcke war ein Name eingeritzt.
    Milenka Carica.
    Milenka Carica.
    Milenka Carica.
    Als ich mit den Steinen fertig war, schleppte ich das schleimige, grünlich graue Wasser in Eimern hinauf. Ich brauche es wohl kaum zu sagen, Emil Arbanassis Enkel kam zum Vorschein. Und ich fand auch eine Frau, die keineswegs alt war. Sie dürfte die Geliebte des jungen Mannes gewesen sein, vermutete ich, denn sie

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