Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten
jedenfalls bestand durchaus die Möglichkeit, daß sie einen Meteoriten umklammert hielten, dort unten in der Erde. Emil Arbanassi beendete das Morgengebet, richtete sich schwerfällig auf und sah uns an. Sein Blick verhieß nichts Gutes.
An diesem Tag führte er uns an fünf verschiedene Orte, und jeder erwies sich als lohnend für die Freilegung, seine Frau fanden wir dennoch nicht. So verging noch eine Woche. Jeden Tag stießen wir auf etwas Wichtiges, Interessantes. In einem hübschen Tal zum Beispiel entdeckten wir ein Hügelchen aus Kinderspielzeug. Ein riesiger Haufen aus Spielzeuggewehren, Spielzeugmessern und Spielzeugschwertern erhob sich dunkel mitten im Tal. Ein anderes Mal stießen wir auf einen entfernten Verwandten von Emil Arbanassi, der nicht ganz tot war, wenn es auch nur seine Hand war, die noch lebte. Sie zeigte ständig auf seinen Kopf, wo auf der Stirn dunkel eine Einschußwunde klaffte.
Und vom Himmel fielen die toten Vögel, fielen und fielen, Krähen, Falken und Eulen, zuweilen sahen wir sogar Papageienleichen. Aber die Frau von Emil Arbanassi fanden wir nicht. Der Bauer blinzelte verschlagen. Und Barbara Berlin weinte. Sie war das Scheitern nicht gewohnt, die Arme. Abends taumelte sie in das Lager zurück wie ein geschlagener, betrogener Hund. Sie betrog sich selbst, aber sicher. Und es half ihr auch nicht, daß ich bei ihr war, mich bei ihr einhängte, sie stützte, damit sie nicht fiel.
Soll ich beten, fragte sie nach dem Abendessen.
Ich gab ihr die Flasche Tequila in die Hand.
Beten Sie nicht, Barbara, sagte ich.
Es wäre ein Fehlschlag, Barbara, streichelte ich ihr das Gesicht.
In dieser Nacht legte ich Barbara Berlin einen in ein Wickelkissen gehüllten Felsbrocken in Form eines Kopfes unter die Schläfe. Sogar im Traum weinte die Spurensucherin schon. In einem Glas fing ich ihre Tränen auf, stellte ihr ein kleines Gefäß unter das Kinn, und behutsam, als sei es der Abendwind, fächelte ich ihr mit den Federn toter Vögel den Schoß. Ich wartete, daß sie sich beruhigte. Das rostige Schloß ihres Koffers zerschlug ich mit einem einzigen Schlag. In der Tiefe der Tasche ringelten sich einige kranke Vipern, ein schwarzblau funkelndes Steinchen bewachend. Die Tränen von Barbara Berlin kippte ich auf die Schlangen, sie wurden sofort starr.
Barbara Berlin, sagte ich, und nahm den Stein an mich.
Dann stahl ich mich in das Zeltlager und bestach den Wächter, indem ich ihn in das andere kleine Gefäß schauen ließ, worin ich den Honig von Barbara Berlin gesammelt hatte. Der Mann, ein italienischer Freiwilliger, starrte es lange an.
Capito, sagte er, was für ein Abenteuer.
Emil Arbanassi schlief nicht. Im Schneidersitz wartete er in der Mitte seines Zeltes und machte sich entweder zum Gebet bereit oder hatte gerade ein Gebet hinter sich. Ich hob das Gläschen mit Honig an seine Lippen und ließ ihn trinken.
Allah hat es geschickt, log ich.
Schluck für Schluck, weich und schwer, vergiftete ich ihm die Seele. Emil Arbanassi hob seinen verschlagenen, traurigen Blick zu mir. Er hatte sich eine Frau besorgt, und jetzt graute ihm davor, sie zu verlieren. Woher hätte er mich auch kennen sollen, der ich mit Schaufeln und Spitzhacken auf der Schulter durch Jakulevo zog?! Unter der Wirkung des Honigs fing Emil Arbanassi ziemlich bald zu reden an. Seine Zunge verfärbte sich nicht blau, daher wußte ich, daß jedes seiner Worte eine ausgeklügelte und offensichtliche Lüge war. Und ich erinnerte mich auch noch gut an das Märchen, das er aufgetischt hatte, als ihn die Patrouille gefaßt hatte. Ich erinnerte mich an alle seine Verwandten, Geschwister und Enkel, die ich aus der Erde von Jakulevo ausgegraben hatte. Zwischen den ineinander verschlungenen Geschichten duckte sich wie ein kleines, feiges Tier die Wahrheit. Und da ich bereits wußte, wo die Frau von Emil Arbanassi sein mußte, brach ich in Richtung Süden auf. Ein grauer Schleier wand sich auf meinen Spuren, der Wind, der Wind. Der Morgen dämmerte, als sei es ein Irrtum. Vögel fielen vom Himmel, und die herrenlosen Schmerzensschreie schlossen miteinander Bekanntschaft.
Ich wußte, daß ich nicht allein war.
Ich wußte, daß Barbara Berlin meiner Spur folgte.
Ich wußte, daß man auch Barbara Berlins Spur folgte.
Die Frau von Emil Arbanassi war so jung, daß ich sie leicht für ein Mädchen hätte halten können. Blau war ihr Blick, und wenn sie sich im verdorbenen Dämmerlicht des Schuppens regte, der mit Zweigen voller
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