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Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Titel: Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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verrückte Kerl auflachte und seine Mähne schüttelte, daß anscheinend nicht nur Jesus Christus, sondern auch Baba Franciska nach ihrer Auferstehung nicht allzuviel Einfluß auf den Lauf der Dinge habe.
    Dann johlte Siposka Sipos laut und tanzte aus der Kneipe. Und ich stand da, die Ellbogen auf den Tresen gestützt, den Kopf geneigt, und staunte nur. Was das doch für eine herzergreifende, lyrische Szene gewesen war! Es wurde still, wie am ersten, verschneiten Tag eines neuen Jahres, wenn ein einsamer Wolf in unseren Hof starrt.
    Mein Name ist Wolf.
    Baba Franciskas Blick glitt zögernd über die zerknitterten, einfältigen Gesichter der Gäste. Baba Franciska wankte zu mir und biß mir ein Stückchen Fleisch aus dem Arm. Dann spuckte sie es mir ins Gesicht. Sie roch nach Erde, nach Dreck und Würmern. Aus ihrem Haar perlte, wie die Zeit, der Sand. Sie war schön, oh, sehr schön. Ich liebte sie wie noch nie.
    Helfen Fie mir, lieber Wolf!
    Ich helfe dir, Baba Franciska, weil ich verliebt in dich bin.
    Macht ef nichtf, daff ich lifple?
    Dir steht auch das gut, Baba Franciska.
    Sie schaute wie ein herrenloses, trauriges Tier. Kein Zweifel, sie war ein Engel. Und vielleicht wurde deshalb auch ich zum Engel, wenn ich sie anschaute, wenn ich nur an sie dachte, wenn ich sie berührte. Das Wunderbare an der großen Liebe ist, daß uns die Leidenschaft dem Gegenstand unserer Sehnsucht ähnlich werden läßt. Ich liebe sie nicht, weil ich so werden möchte wie sie, sondern weil ich mich danach sehne, daß sie mich ergänzt.
    Glauben Fie auch, daff ef für mich überflüffig war, aufzuerstehen, Wolf?
    Ich denke, ganz im Gegenteil, erklärte ich. Ich selbst bin für die Liebe, Baba Franciska, und da ich nicht an die Auferstehung glaube, können Sie gar nicht wirklich gestorben gewesen sein, meine ich.
    Dabei bin ich wirklich auferftanden, rief Baba Franciska beleidigt und kippte sich meinen Schnaps hinunter.
    Ich wußte, daß es nicht leicht sein würde, mit Siposka Sipos einig zu werden. Eine fixe Idee, die ein Irrer im Garten seines Kopfes gesät hat und dort hegt und pflegt, wieder auszutilgen, ist nahezu unmöglich. Obendrein glänzte Baba Franciskas Goldzahn wirklich schön und man konnte ihn auf ukrainisch, auf zigeunerisch, auf slowakisch wie auch auf ungarisch ansprechen. Zudem war in ihn der Name von Jesus Christus eingraviert. Siposka Sipos sprang überall umher, trällerte vergnügt, zeigte seine Beute herum und plazierte sie zum Spaß im geknebelten Maul eines Schafes, das er durch das ganze Dorf trieb. Vor dem Steinkreuz der Kneipe blieben sie stehen, und Siposka Sipos kicherte noch stundenlang über die Vorstellung.
    Ich wußte, mit Schmeicheleien und Versprechungen würde ich nichts erreichen. Siposka Sipos war wirklich verrückt und darum schlauer als ich. Und er war auch größer, stärker, kurz, es sah so aus, als hätte ich, was den Goldzahn betraf, wenig Chancen. Ein wenig Hoffnung machte mir nur, daß ich grausamer war als Siposka Sipos. Wenn das Gras wachsen will, so soll es wachsen. Übrigens ist auch das Gras ein verliebtes Geschöpf, ganz wie ein Toter. Doch während die Toten unter die Erde kommen, verstopfen die Grashalme Löcher und Ritzen, die im herunterhängenden Bauch des Himmels glühen. Von den Bäumen ganz zu schweigen. Baba Franciskas flehender, vorwurfsvoller Blick brannte mir im Nacken. Ich war ein Engel, ich war verliebt. Ich war grausam. Ich sah, wie das Gras wuchs, der Himmel sich knarrend und krachend um sich selbst drehte. Und manchmal fielen auch Bomben. Milenka Caricas Leute sangen mit blutigen Mündern in der Wüstenei.
    Eines Nachts fiel mir endlich ein, was zu tun war.
    Wie gewöhnlich hörte ich dem Dröhnen der Bomber zu. Noch in derselben Nacht kratzte ich meine Ersparnisse zusammen, brach den Lagerraum der Kneipe auf, requirierte Getränke, Zigaretten, Salzgebäck und Kekse, doch vor dem Kruzifix verbeugte ich mich tief.
    Wohin gehft Du, Wolf, rief mir mit Baba Franciskas versagender, zittriger Stimme mein guter Freund, der Wind, hinterher.
    Nach Dubrovnik, Geliebte, wandte ich mich zurück.
    If glaube Ihnen nicht, Wolf!
    Komm mit, wenn du es nicht glaubst, Wind, mein Freund!
    So kam es, daß auf dem langen, beschwerlichen Weg der Wind mich ständig begleitete. Wir unterhielten uns und trällerten vor uns hin, mal stritten wir, mal artete es in Prahlerei aus, manchmal schliefen wir zusammen. Wir kamen nach Dubrovnik, weil ich verliebt war. Fieberhaft durchstreifte ich die

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