Eine Frau - Ein Bus
beharrlicher. Ich überlegte, was ich darauf erwidern sollte. Ich fand immer schon, dass es der Mühe nicht wert ist, meinem Ehemann
Dinge vorzuenthalten. Nicht nur weil er es am Ende sowieso herausfindet, sondern weil ich mich auch grundsätzlich besser fühle, nachdem ich mich ihm anvertraut habe. Schätzungsweise ist das der Grund, weshalb seine Praxis so gut läuft. Doch das hier war ein Sonderfall: Ihm zu sagen, dass ich schreckliche Angst hatte, weil er einen Bus lenkte, während er besagten Bus lenkte, schien keine sonderlich gute Idee zu sein. Andererseits wusste er, dass etwas nicht stimmte, und es ihm vorzuenthalten, würde nur seine Fantasie verrückt spielen lassen, auch wenn mir nicht klar war, wie er etwas Schlimmeres ahnen könnte. Also holte ich tief Luft und wagte den Sprung.
»O.k. Na gut«, fing ich an. »Ich kann dir sagen, was los ist, wenn du wirklich wissen willst, was los ist, aber wenn du es nicht willst«, fuhr ich atemlos fort, »solltest du es mir lieber gleich sagen, weil ich es dir nicht unbedingt sagen muss. Besonders während du fährst.« Nach einer solchen Einleitung blieb ihm natürlich nur eines: »Los, sag schon!«
»Also gut.« Und schon sprudelten die Worte über meine Lippen. »Es ist nicht so, dass ich deinen Fahrkünsten nicht trauen würde. Du bist ein guter Fahrer. Nur alle anderen sind Idioten!« Natürlich hätte ich meinen eigenen erbärmlichen Idioten-Hintern niemals zu dieser Gruppe gezählt. »Was ist, wenn jemand plötzlich bremst? Wenn wir einen Elch überfahren? Wenn die Bremsen versagen? Ich stelle mir ständig vor, wie wir von der Straße abkommen und im Graben landen. Dabei male ich mir noch nicht einmal den Teil aus, wenn wir sterben, sondern nur, wie wir schlittern. Das Quietschen der Reifen, das Zersplittern von Glas. Aber in erster Linie das Schlittern. Das SCHLITTERN. Ich ertrage das nicht länger!« Er warf mir einen ungläubigen Blick zu.
»HEY! Hey, Fahrer! Augen auf die Straße! Du fährst fast auf den Wagen vor uns auf!«
»Und ich hätte beinahe einen Abstandsradar einbauen lassen«, bemerkte er. Ich ignorierte den Kommentar.
»Was ist mit den Unterführungen? Und den Massenvernichtungswaffen?«
»Welchen Massenvernichtungswaffen?«
»Genau!«, rief ich triumphierend. »Die Regierung hat im Hinblick auf Massenvernichtungswaffen gelogen, also könnten sie auch wegen der Überführungen lügen. Woher wissen wir, dass sie so hoch sind, wie sie behaupten? Wann immer wir unter einer durchfahren, denke ich: ›Hoffentlich reißt uns das Ding nicht die Köpfe ab.‹«
»Ich fasse es nicht!«, rief Tim. »Du hast eine Bus-Phobie.« So viel zum Thema, mich besser zu fühlen. Ich schätze, jemand hat ihm einen Tipp gegeben. Ich brauchte keinen Psychiater, der mir erzählte, dass ich an einer Phobie litt, schon gar nicht, wenn seine Lösung aus dem Vorschlag bestand, einen einsamen Parkplatz anzusteuern, damit ich lernte, dieses Ding zu fahren und seine »Kraft zu spüren«. Ja, klar, vielleicht im nächsten Leben.
Vor dem Umbau des Busses hatte Tim gefragt, ob ich damit fahren wolle.
»Spinnst du?«, rief ich. Er hatte kein Verständnis dafür, wieso ich es nicht wenigstens versuchen wollte, konnte jedoch auch seine Freude über meine Entscheidung nicht verhehlen: Er fuhr nicht nur ausgesprochen gern selbst, sondern war auch nicht sonderlich begeistert, wenn ich hinterm Steuer saß. Wann immer wir unterwegs waren, fuhr er und erging sich unvermeidlich in Kommentaren über irgendwelche haarsträubenden Manöver anderer Verkehrsteilnehmer.
»Sieh dir den an!«, rief er, was ich mit einem neutralen »Hmm?« quittierte, worauf er mir einen Seitenblick zuwarf.
»Du machst das doch nicht etwa auch, oder?«
»Äh … na ja … eigentlich …« - mehr sagte ich nicht. Aus diesem Grund war Tim hellauf begeistert, dass ich keine Ambitionen hatte, den Bus zu fahren. Ich richtete sogar einen Blog über unsere Reise ein, um unsere Freunde und Familie auf dem Laufenden zu halten, den ich »Überlass das Fahren ihm« nannte.
Obwohl meine Angst auf dem Weg zum Campingplatz nicht ganz verschwand, gelang es dem Willkommensschild vor der Kleinstadt in New Mexico, mir ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. »Portales, Heimat von 12 000 netten Menschen und zwei oder drei Miesepetern.« Als wir nach Carlsbad kamen, machten wir eine Tour durch die berühmten Höhlen und blieben bis zum Abend, um die hunderttausende Fledermäuse zu sehen. Ich schrie nicht einmal, als
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