Eine Frau - Ein Bus
deiner Corvette, die, das muss ich an dieser Stelle mal sagen«, hob ich pikiert hervor, »zehn Jahre älter ist als meiner.« Er verdrehte nur die Augen.
»Lass mich wenigstens das Öl wechseln.«
»Welches Öl?« Seine Augen verharrten mitten in der Bewegung.
»Du hast nie einen Ölwechsel gemacht? Aber du fährst seit fast zwei Jahren mit dieser Karre herum!« Ich zuckte nur die Achseln.
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest. Er fährt mit Benzin, nicht mit Öl.« Gleich am nächsten Tag lag er unter meinem Wagen und machte diesen … Ölwechsel. Es schien eine ziemliche Schweinerei zu sein, also erbot ich mich, seine Sachen dafür zu waschen.
Da ich mit dem Status einer Prinzessin aufgewachsen bin, habe ich nie gelernt, wie man die Wäsche macht. Erst als Erwachsene brachte ich es mir selbst bei. Als eiserne Verfechterin des Prinzips, keine Energie zu verschwenden (meine eigene, nicht die der Stromgesellschaft) ging ich davon aus, dass es völlig in Ordnung war, alles in eine Maschine zu kippen. Bei mir hatte es jedenfalls immer funktioniert. Pech für Tim war, dass sich sein Lieblingsbaseballshirt bei dieser Wäscheladung befand - neben meiner neuen roten Bluse. Als wir anschließend die Sachen aufhängen wollten, nahm er den Schaden in Augenschein und grummelte: »Kein Wunder, dass du nur rosa Unterwäsche hast.« Das war die letzte Maschine Wäsche, die ich wusch.
Auf der Fahrt nach Reno verbrachte Shula den ganzen Tag mit mir auf dem Beifahrersitz. Nicht dass sie neuerdings
anhänglich geworden wäre - wir hatten lediglich beschlossen, die Tür zum Schlafbereich lieber geschlossen zu lassen (die neue Matratze gefiel uns ausnehmend gut). Sobald der Motor zu grollen begann, kletterte sie auf meinen Schoß und vergrub den Kopf in meiner Magengegend. Sehe nichts Böses, höre nichts Böses, bin nicht böse - so schien ihre Maxime zu lauten. Von Zeit zu Zeit hob sie den Kopf, um mir einen kurzen, vorwurfsvollen Blick zuzuwerfen.
»Sieht so aus, als würde sie sagen ›Mami, bitte mach, dass dieser Albtraum aufhört‹«, bemerkte Tim. Aber ich konnte sie nicht aus diesem Albtraum wecken, weil ich in genau demselben steckte. Nach einer Weile glaubte ich zu spüren, dass sie schnurrte, stellte jedoch kurze Zeit später fest, dass das »Schnurren« von ihren Lenden ausging. Zittern war wohl die treffendere Bezeichnung dafür.
Miles und Morty hingegen schienen völlig damit zufrieden zu sein, sich den Zweisitzer zu teilen. Vielleicht saß auf dem Doppel-X-Chromosom generell eine Schwäche für Busse, mutmaßte ich, besonders als wir nach Carlsbad kamen und ein neues Problem auftauchte: Bus-Phobie.
Schon beim geringsten Gefälle versuchte ich, mit Tims Gehirn eins zu werden und ihn dazu zu bewegen, auf die Bremse zu steigen, wobei mein Fuß leider ins Leere trat. Bei jeder Biegung krallte ich die Finger in den Sitz, während ich mich darauf gefasst machte, gleich umzukippen. Bei jedem Schlagloch hielt ich den Atem an und lauschte auf Geräusche, die auf zerberstenden Stahl hindeuteten - Vorboten darauf, dass das Fahrgestell gleich in zwei Teile gerissen werden würde. Dass die Gläser im Schrank klirrten, trug nicht gerade zur Entspannung der Lage bei. Wovor hatte ich eigentlich Angst?, fragte ich mich die ganze Zeit. Die Antwort war jedes Mal dieselbe: davor, von der
Straße abzukommen, während uns all unsere Sachen um die Ohren flogen. Dabei kam ich nicht einmal so weit, mir mein eigenes Ableben und das aller anderen Insassen auszumalen. Schleudern und Aufprall. Schleudern und Aufprall. Darum kreisten meine Gedanken. Phobien sind nun mal nichts Rationales.
Auf einer besonders steilen, gewundenen und stark abfallenden Straße wuchs meine Angst auf ein schier unerträgliches Maß an. Als gutem Psychiater entging Tim das nicht.
»Was ist denn los, Schatz?«, fragte er.
»Nichts.« Mir ging auf, dass ich lieber etwas reden sollte, egal was, bevor er Verdacht schöpfte. In diesem Augenblick kamen wir zufällig an einem Hinweisschild vorbei, auf dem die Anzahl der Meilen bis Albuquerque vermerkt war. Instinktiv stimmte ich die Zeilen der alten Melodie der Partridge Family an:
Point me … yee
In the direction of …
Albuquerqueeee …
Und dann, mit ein wenig zu viel Herzblut:
I want to go home
I need to get hooooome.
Manchmal ist ein Song nur ein Song. Aber nicht in diesem Fall. Am Ende der letzten Zeile entrang sich meiner Kehle ein Schluchzen.
»Was ist denn?«, fragte er erneut, diesmal
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