Eine Frau - Ein Bus
für die Nüchternheit benutzt (statt wie sonst das Vermögen, die eigene Nase zu berühren), da es deutlich mehr Hinweise darauf gibt als schlechtes Land in Badlands. Wall Drug in dem Städtchen namens Wall (das seinen Namen der Badlands Wall, einer schmalen, sechzig Meilen langen Reihe von Spitzkuppen, verdankt), hatte seinen Ursprung in den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts als
schlecht gehende Apotheke in einer dem Untergang geweihten Gemeinde. Nachdem die Frau des Besitzers auf die glorreiche Idee kam, am Highway Hinweisschilder aufzustellen, auf denen mit kostenlosem Eiswasser während der Sommermonate geworben wurde, stürmten die Leute den Laden, kauften Eis und sonstige Vorräte für den Rest der Fahrt bis zum Yellowstone oder dem damals noch im Bau befindlichen Mount Rushmore.
Zwar gibt es auch heute noch Gratiseiswasser (ebenso wie Gratiskaffee. Dank dieser Tatsache, plus der Doughnuts für fünf Cents das Stück, war Tim völlig koffeinüberdreht, als wir den Laden verließen, so dass ich dankbar war, dass er nur den Jeep fahren musste), trotzdem ist so einiges hinzugekommen - Figuren von einem Gorilla, einem Riesenhasen, einem Jackalope, einem Bison und einem T-Rex. Tim und ich hatten vorgehabt, nur auf einen Sprung vorbeizusehen, um uns einen ihrer berühmten Buffalo-Burger zu genehmigen, am Ende blieben wir aber mehrere Stunden und lasen die alten, mit Schutzfolie versehenen Artikel an den Wänden, die inmitten historischer und zahlloser neuer Fotos hingen: Im Laden bekommt jeder, der danach fragt, umsonst ein »Wall Drug«-Schild. Die Leute haben an allen möglichen Orten Fotos davon gemacht, sogar am Moskauer Flughafen und am Südpol, und an den Drugstore geschickt. Wir konnten auch nicht widerstehen (gemeinsam mit einer ganzen Horde Kinder), auf den diversen »Tieren« zu reiten, konnten es uns aber gerade noch verkneifen, gemeinsam in einem lebensgroßen Cowboy-Quartett zu singen. Wall ist Amerika, wie es kitschiger und sentimentaler nicht sein könnte.
Die neun Dollar Eintritt für einen Rundgang durch das Crazy Horse Memorial erschienen mir zu hoch. So viel
Geld, nur um zu sehen, wie ein weiterer riesiger Berg in Form gesprengt wird, der noch nicht einmal fertig ist? Außerdem kann man sich das Ganze auch von der Straße aus ansehen. Ich weiß immer noch nicht, wieso wir den Eintritt bezahlt haben und hineingegangen sind, aber wir waren trotzdem froh, es getan zu haben, denn das Monument stellt noch nicht einmal die Hälfte der Attraktion dar: Das Eindrucksvolle am Crazy Horse Memorial ist weniger die Idee, die größte Skulptur der Welt zu erschaffen, sondern eher die unbeirrbare Entschlossenheit und Bereitschaft eines Mannes, sein Leben dem Vorhaben zu opfern, was sogar er selbst als winzigen Schritt, das Falsche richtig zu machen, betrachtete.
Nachdem der gebürtige Bostoner Korczak Ziolkowski 1939 bei der Weltausstellung den ersten Preis für seine Skulptur gewonnen hatte, traten die Lakota-Häuptlinge beim Anblick des Chaos rund um Mount Rushmore an ihn heran und luden ihn in die Black Hills ein, wo er eine Gedenkstätte für ihren längst verstorbenen Krieger Crazy Horse errichten sollte.
»Meine Häuptlingskollegen und ich möchten, dass der weiße Mann weiß, dass auch der rote Mann große Helden hat«, schrieb Häuptling Henry Standing Bear an den Bildhauer.
Crazy Horse, eine Inspiration für sämtliche Indianerstämme im ganzen Land, ging erst auf den Kriegspfad, nachdem die Regierung einen Vertrag nach dem anderen gebrochen hatte. Sein einziges Bestreben war, dafür zu sorgen, dass sein Volk in Freiheit leben konnte, ohne von den Versprechen des weißen Mannes abhängig zu sein oder um die Erlaubnis ansuchen zu müssen, so leben zu dürfen, wie sie es wollten. Er unterschrieb nie einen Friedensvertrag,
war maßgeblich an Custers Niederlage bei der Schlacht von Little Big Horn beteiligt und wurde 1887 von einem amerikanischen Soldaten beim Versuch, ihn festzunehmen, erstochen.
Zweifellos verspürte der Künstler, der übrigens auf den Tag genau dreißig Jahre nach dem Tod von Crazy Horse geboren worden war, eine innere Verbindung zu dem berühmten Stammesführer. Korczaks vehementes Streben nach Unabhängigkeit war die Folge schwerer Misshandlungen durch jene Menschen, deren Aufgabe es gewesen war, sich um ihn zu kümmern: Der Junge war im frühesten Kindesalter Waise geworden und in diversen Heimen aufgewachsen, wo er schrecklich misshandelt worden war. Er hatte weder
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