Eine Frau - Ein Bus
Konstabler führte er das so genannte »Posting« ein - er schlug die Namen jener Männer an einen Baum, die er am nächsten Tag »shoot on sight«, sprich, sowie er sie sah, niederzustrecken gedachte. Die Mehrzahl der Männer, die auf diese Weise vorgewarnt waren, suchte lieber gleich das Weite. Später fungierte er als Nachschuboffizier im Bürgerkrieg und danach als U.S. Marshall. Dazwischen betätigte er sich als professioneller Spieler, wobei es bei einem Disput über Spielkarten zu der legendären Schießerei mit Dave McCanles kam. Hickok gewann. Nachdem er aufgrund übermäßiger Schießfreude mehrmals seine Stellung als Sheriff und Marshall verloren hatte, ging er endgültig dazu über, seinen Lebensunterhalt mit professionellem Kartenspiel zu verdienen. Doch sein Glück sollte nicht von Dauer sein: Im Alter von neununddreißig wurde er beim Pokern in einem Saloon mit einem Schuss in den Hinterkopf getötet, nachdem sein bevorzugter - und sicherer - Platz mit dem Rücken zur Wand belegt war. (Seine letzten Karten, ein Paar Achter und Asse, werden seit dieser Zeit als »Dead Man’s Hand« bezeichnet.) Sein Mörder, der sich für eine frühere Auseinandersetzung beim Pokern hatte rächen wollen, wurde später gehängt.
Natürlich wird im Zuge des Tourismus versucht, jedem Ereignis durch eine »authentische« Darstellung möglichst viel Kolorit zu verleihen, was am Ende nur zu seiner Verwässerung führt. (Hier geschah das in Form lebensgroßer,
wenn auch reichlich ramponiert aussehender Puppen, die Hickok et al. zum Zeitpunkt des Mordes darstellen sollten). Aber in South Dakota störte uns das nicht allzu sehr .
In Keystone, nur wenige Meilen von Mount Rushmore entfernt, machten wir Halt, um auf der Terrasse des historischen Ruby House Restaurant zu Mittag zu essen. Obwohl es ein schöner Tag war und das Essen sehr lecker schmeckte, entpuppte es sich als der schönste Teil des Ausflugs, dem Marktschreier nebenan zuzuhören, wie er die vorbeikommenden Besucher einlud, der »Großen Cowboy Comedy bla bla«-Show beizuwohnen. Schon bald bekam er Gesellschaft von ein paar knallharten, recht authentisch aussehenden Schauspielern mit riesigen Cowboyhüten, die mit Platzpatronen in die Luft schossen, ihre Peitschen knallen ließen und mit dem Spruch »Ich bin dein neuer Babysitter, Knirps« kleine Kinder erschreckten. Es schien, als führten die Einwohner der alten Goldgräberstadt den Humor ihrer Vorfahren fort: Als zur Jahrhundertwende Gold gefunden wurde, benannten einige Schürfer ihren Claim nach ihren Ehefrauen. Der berühmteste trägt den Namen »The Holy Terror«.
Tim und ich konnten das durchaus nachvollziehen. Er wusste genau, wie er seine Mine nennen würde, wenn er je eine fände. Vor unserer Abreise hatte ich mein Mobiltelefon mit diversen Klingeltönen programmiert, so dass ich jeden Anrufer gleich erkannte, ohne auf das Display sehen zu müssen. Eine ehemalige Firma, für die ich (nicht sonderlich gern) gearbeitet hatte, meldete sich mit der Darth-Vader-Melodie an. Einem befreundeten Bauunternehmer hatte ich »Men at Work« zugeordnet. Tim gefiel sein Klingelton recht gut - die ersten Noten von Beethovens Fünfter (als Symbol für das Schicksal, das an die Tür klopft). Da
er kein Interesse hatte, dasselbe mit seinem Handy zu tun, hatte ich nur einen Klingelton für ihn eingerichtet - den für meine Nummer. Wann immer ich ihn anrief, ertönten die vertrauten Klänge, die den Leuten unweigerlich ein Lächeln entlockten.
»Ist das nicht aus dem Nussknacker?«, fragten sie, während sich Bilder der Zuckerburg-Bilder in ihre Erinnerung schoben.
»Genau«, erwiderte Tim, »meine Frau, der Nussknacker.« Wäre auch ein verdammt guter Name für eine Goldmine.
Der Badlands Nationalpark wurde seinem Namen mehr als gerecht - seine raue Landschaft, verwittert nach jahrtausendelangem Einfluss von Wind und Wasser, die sich durch scharfkantige Gipfel und Sedimentgestein, Sandstein und Vulkanasche schneiden. Der Park verfügt über zahlreiche Wanderwege, die jedem Freude machen, der eine baumlose, graslose und wasserlose Umgebung mag. Vielleicht liegt es daran, dass meine Vorfahren vierzig Jahre lang durch die Wüste gewandert sind, dass ich derartige Anblicke meide wie die Pest.
Sehr gut gefiel mir hingegen der Besuch des nahegelegenen Wall Drug Store. Es würde mich nicht wundern, wenn die hiesige Polizei bei Fahrzeugkontrollen die Fähigkeit zu zeigen, in welcher Richtung er sich befindet, als Messlatte
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