Eine Frau - Ein Bus
Gelegenheit: »Sieh mal, ein Zwerg!«, nur weil sie wissen, dass sie sich am einzigen Ort auf der ganzen Welt befinden, wo sie so etwas tun dürfen, ohne strafende Blicke dafür zu ernten. (Obwohl Tim es sich nicht nehmen ließ, mich in politisch korrekte Gefilde zurückzuführen und zu tadeln. »Diese Menschen nennt man kleinwüchsig, Schatz.«)
Nein, wir sind keine Disney-Fans, aber wir lieben Disney trotzdem.
Wir waren schon vorher mehrere Male in Walt Disney World gewesen, hatten aber immer in einem der Hotels dort übernachtet. Dies war unser erstes Mal auf dem Fort Wilderness Campground. Es war wahrlich ironisch, dass es uns bislang auf jedem Campingplatz gelungen war, egal wie viele Hindernisse in Form von Bäumen, Telefon- oder Hochspannungsleitungen sich über uns befanden, den Bus auf unserem Stellplatz in eine Position zu bringen, so dass wir Internetempfang hatten. Nur auf dem Campingplatz-Imitat
namens Fort Wilderness gelingt es Disney so gut, das einfache Leben zu simulieren, dass wir es tatsächlich nicht schafften, ein Internetsignal zu bekommen. Es stellte sich heraus, dass wir in Disney World auf nichts Geringeres stießen als auf die campingplatzähnlichste Campingplatz-Imitation.
Wir ließen Miles auf einem der Hunde-Spielplätze zurück, der uns fünf Dollar extra pro Tag kostete. Meine Güte, was würde Goofy dazu sagen? Doch es war das Geld wert, denn die wahre allabendliche Parade fand nicht auf der Main Street statt, sondern vor dem Platz, wenn die Hunde von ihrem Leid erlöst wurden, den ganzen Tag ohne ihre Besitzer sein zu müssen, und ihnen freudig hinterhertrabten. Man konnte sie beinahe singen hören: »Hi ho, hi ho. Endlich scheißen, was bin ich froh!«
Miles war mittlerweile elf Jahre alt. Und während er eigentlich keine Anstalten machte, sich langsamer zu bewegen, begannen sich seine Augen doch zu trüben. Manchmal konnte unser Hündchen den Ball nicht richtig sehen, wenn Tim ihn warf. Doch der Ausflug zu Disney heilte ihn. Unmittelbar vor unserer Ankunft ging Tim mit Miles zum Hundefriseur. Nachdem wir ihn vom Spielplatz abgeholt hatten, fand Tim einen Wasserlauf, der geradezu perfekt zum Ballspielen war. Ohne das Fell in den Augen waren Miles’ fängerische Qualitäten wie durch ein Wunder wiederhergestellt.
Unser Pudel war nicht der Einzige, der in den Genuss der Disney-Magie kam. Im Cinderella-Schloss ließ ich mich völlig vom Zauber der Märchenhochzeit gefangen nehmen, obwohl Tim dafür Sorge trug, dass ich sicher wieder ins Hier und Jetzt zurückkehrte. Die atemberaubende Braut war wie eine Prinzessin gekleidet und bot einen
unglaublichen Anblick in ihrem Brautkleid mit Diadem, der Pferdekutsche und dem livrierten Diener davor. Ich fand all das herrlich, bis die Stimme meines leidenden Ehemannes an mein Ohr drang. »Wenn er sie rumkriegen will, indem er solche Erwartungen schürt, bitte sehr.«
Wir fuhren mit Bussen (zum Glück nicht mit unserem eigenen) überall im Park herum. Tim benahm sich wie ein kleiner Junge, der mit großen Augen mitten in einer Feuerwache steht, und verstrickte die Fahrer in ein Gespräch, in der Hoffnung, ihnen irgendwelche Profitipps zu entlocken. Es gab eine Menge Gesprächsstoff, da Walt Disney World soeben eine Flotte neuer Busse gekauft hatte, bei denen sich herausgestellt hatte, dass sie Probleme mit der Elektronik hatten. Wenn also, sagen wir, der Blinker nicht funktionierte, musste der Fahrer den Motor ausschalten und das ganze System noch mal hochfahren - bei diesen Nachrichten wussten wir unseren eigenen Bus nur umso mehr zu schätzen.
A propos kleine Jungen mit großen Augen: Tim nahm an einer der Disney-Touren namens »Die Magie hinter unseren Dampfloks« teil. Da ich mich nicht für Züge interessiere und noch weniger dafür, um sechs Uhr morgens aufzustehen, unternahm er diesen Ausflug alleine. Die anderen Ehefrauen mussten genauso empfunden haben, denn die Gruppe bestand aus einer geballten Ansammlung von Testosteron. Obwohl Tim fasziniert von der Tour war, erzählte er später, der interessanteste Teil sei gewesen, erwachsenen Männern dabei zuzusehen, wie sie krampfhaft ihre Aufregung zu verbergen versuchten, obwohl jeder Außenstehende auf den ersten Blick erkennen konnte, dass sie vor Spannung fast umkamen.
Da Walt Disney World eine Größe von 123 Quadratkilometern
besitzt - die doppelte Fläche von Manhattan -, sind die Busse, Züge, Straßenbahnen und Boote wichtig, um die Strecken zurückzulegen. (Im Gegenzug dazu
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