Eine Frau - Ein Bus
gewesen und fürchten nun, dass alle anderen für immer für uns gestorben sind. Es waren schlicht und ergreifend sechs Stunden erschöpfender Spaß. Wir erklommen zahllose Stufen zu den diversen Wasserrutschen, in die wir uns kopfüber oder mit dem Hintern voran warfen. Seit Monaten hatte ich geschworen, dass ich nicht den Summit Plummet herabrutschen würde - die vierzig Meter hohe, nahezu senkrechte Freifall-Rutsche, die sich rühmt, die größte der Welt zu sein. Doch Tim zerrte mich zu den Hügeln von Mount Gushmore und sagte, ganz der Gentleman, der er bekanntermaßen ist: »Ladys first.« (Später gestand
er, er hätte nur ein Mittel gehabt, um zu gewährleisten, dass er selbst hinunterrutschen würde: Wenn ich zuerst sprang und es somit zu peinlich wäre, wenn er oben stehen bliebe.) Meine Entschlossenheit, es zu wagen, war eher das Ergebnis meiner Faulheit als meines Muts: all die vielen Stufen, die ich hinuntersteigen müsste, wenn ich kniff. Nachdem ich Tim also einen meiner Standardsprüche: »Und? Was willst du?«, an den Kopf geworfen und ihn mit einem Blick bedacht hatte, der hoffentlich eher Abscheu ausdrückte anstelle des Entsetzens, das ich in Wahrheit empfand, schwang ich mich auf die Rutsche - sorgsam darauf bedacht, nicht nach unten zu sehen. Sowie ich von fünfundfünfzig Meilen pro Stunde zum Stillstand kam, blickte ich hinter mich, lächelte, winkte Tim zu und machte mich auf den Weg die Treppe hinauf, um mich gleich noch einmal in die Tiefe zu stürzen.
Während wir in jedem Park mindestens dreimal waren, blieb Blizzard Beach der einzige, den wir nur einmal besuchten. Der Tag, den wir dort verlebt hatten, war einfach zu perfekt gewesen.
Tim und ich konnten schon immer wie Kinder gemeinsam spielen. Ich glaube, das liegt daran, dass wir einander so uneingeschränkt vertrauen. Ja, okay, wir haben unsere Streitereien, aber in all der Zeit, die wir zusammen sind, hat keiner dem anderen im Affekt etwas an den Kopf geworfen, das er später bereut hätte (oder was so wichtig war, als dass wir uns später noch daran erinnern würden). Ich glaube, dies gestattet uns beiden, uns auf Kommando in Kinder zurückzuverwandeln (wenn die Situation förmlich danach schreit, oder, in meinem Fall eher, wenn sie es nicht tut), ohne befürchten zu müssen, dass einer von uns das Verhalten des anderen gegen ihn verwendet.
Das einzige verrückte Fahrgeschäft, das uns nicht gefiel (und mit dem wir deshalb nur einmal fuhren), war Mission: Space , Tomorrowlands neueste Errungenschaft. Dieses Ding löste nur ein Bedürfnis in uns aus: uns zu übergeben. Die Papiertüten an den Sitzen hätten uns ein Zeichen sein sollen. Danach fühlten wir uns so hundeelend, dass wir sogar die Reservierung fürs Abendessen stornierten.
Ziemlich üble Sache, weil Disney nicht mehr das ist, was es früher war. Stattdessen ist Walt Disney World mittlerweile ein Paradies für jeden, der gern isst. An einem Abend ließen wir es uns in Afrika gut gehen und genossen die Aromen, die den Holzöfen entströmten. Am nächsten besuchten wir Deutschland und das Oktoberfest, einschließlich Jodeln und Blasmusik. Dann stand eine Reise nach Marokko auf dem Programm, wo wir wie die Kalifen verwöhnt wurden, es uns auf Kissen bequem machten und uns an den Köstlichkeiten des Mittleren Ostens labten, während uns Bauchtänzerinnen Zerstreuung schenkten. Kein Wunder nahmen wir beide über zwei Kilo in achtzehn Tagen zu.
Ich hatte zwar gehört, dass Stewardessen gekündigt werden kann, wenn sie zunehmen, doch für mich als Bus-Begleiterin galt das natürlich nicht, da sich mein Gewerkschaftsvertreter weigerte, über dieses Thema zu verhandeln, deshalb blieb mir nichts anderes übrig, als den Bundesstaat gemeinsam mit ihm zu verlassen. Selbst unser Bus hatte in Florida zugenommen.
Als wir in Colorado aufgebrochen waren, hatte er gut achtzehn Tonnen auf die Waage gebracht. Bei Prevost in Jacksonville hatten wir festgestellt, dass wir an Gewicht zugelegt hatten, was eine gewisse Rechtfertigung für Tim war, der von seinem Bus gern als »sie« sprach. Mittlerweile ergab
das, was ich als zeitweilige Launenhaftigkeit interpretiert hatte, durchaus einen Sinn (die Entwicklung meiner Phobie konnte nicht allein auf mein Konto gehen): »Sie« litt an PMS (Prevostmenstruelles Syndrom). Wie sonst sollte man die Gewichtszunahme erklären, wenn nicht durch Wassereinlagerungen? Ich konnte nur hoffen, dass sie nicht auch noch Krämpfe bekam.
Vielleicht konnte
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