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Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Titel: Eine Frau flieht vor einer Nachricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grossman
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wir beide kein Wort mehr heraus. Auch als ich wollte, konnte ich nicht, ich fühlte mich abgewürgt, als packte mich einer an der Gurgel, und das warst du.
    Er wirft ihr einen Blick zu, zieht eine Augenbraue hoch.
    Du warst mit uns im Auto, wir haben dich gespürt, als säßest du da hinten neben Adams Kindersitz, sagt sie und zieht die Beine an den Bauch, und das war nicht zu ertragen. Es war unerträglich im Auto, meine Freude zerplatzte wie ein Ballon und legte sich wie ein Film auf mein Gesicht. Ich erinnere mich, Ilan seufzte laut, und ich fragte, was ist, und er schwieg und schwieg, und zum Schluss sagte er, er habe sich nicht vorgestellt, dass es so schwer sein würde.
    Und ich dachte mir, so hab ich mir diese Fahrt auch nicht vorgestellt, die Heimfahrt mit meinem ersten Kind mit Pauken, Zimbeln und Posaunen.
    Weißt du, sagt sie nach einem Augenblick des erstaunten Innehaltens, daran habe ich Jahre nicht mehr gedacht.
    Avram schweigt.
    Weiter?
    Nehmen wir mal an, diese Kopfbewegung ist ein »Ja«, denkt sie.

Je näher sie dem Haus in Zur Hadassa kamen, umso angespannter und nervöser wurde Ilan. Plötzlich erschien ihr sein Kinn aus einem bestimmten Winkel schwach und ausweichend. Sie sah, seine Finger hinterließen feuchte Flecken auf dem Steuer. Ilan, der fast nie schwitzte. Er parkte den Wagen gegenüber dem rostigen Gartentor, holte Adam heraus, reichte ihn ihr und schaute ihr nicht in die Augen. Ora fragte ihn, ob er ihn das erste Mal nicht selbst hineintragen wolle, doch er stammelte, du, du, und presste ihn ihr richtiggehend in den Arm.
    Sie erinnert sich an die paar Schritte auf dem kurzen gepflasterten Gartenweg, an das kleine schiefe Haus, die mit Rauhputz verputzte Fassade und die Mörtelspritzer, es war ein einfaches Häuschen, das Avrams Mutter von einem kinderlosen Onkel geerbt und in dem sie mit Avram gelebt hatte, seit er zehn war. Sie erinnert sich an den Anblick des verwahrlosten Gartens, in dem in den Jahren, in denen sieund Ilan sich beide ausschließlich um Avram gekümmert hatten, Unkraut und hohe Dornen wucherten. Sie erinnert sich sogar an ihren Plan, sobald sie sich etwas erholt hätte, mit dem Baby hinauszugehen und es ihrem geliebten Feigenbaum und der Silbereiche vorzustellen. Auch an ihren komischen Entengang erinnert sie sich, wie sie watschelte, um ihre frischen Nähte nicht zu belasten. Sie redet leise. Avram hört ihr zu. Sie sieht, dass er ihr zuhört, aber irgendwie hat sie das Gefühl, sie erzähle das jetzt vor allem sich selbst.
    Ilan war vor ihr schnell die drei schiefen Stufen hochgegangen und hatte die Tür aufgemacht, war zur Seite getreten und hatte sie mit Adam eintreten lassen. Etwas schmerzhaft Kühles lag in dieser Höflichkeit. Sie war darauf bedacht, das Haus mit dem rechten Fuß zu betreten, sagte laut »Willkommen, Adam« – und wie jedes Mal, seit er geboren war, spürte sie ein verborgenes Streicheln von Ada in sich – und trug ihn in das Zimmer, das sie für ihn bestimmt hatten. Da stand schon das Bett, fertig bezogen. Obwohl Adam schlief, drehte sie ihn im Zimmer in alle Richtungen, zeigte seinen durchsichtigen Lidern den Kleiderschrank, den Wickeltisch, die Spielzeugkiste und das Bücherregal.
    Da entdeckte sie an der Tür einen Zettel: Schalom Babylein , stand da, Willkommen! Im Folgenden findest Du einige Anweisungen der Hotelleitung .
    Sie legte ihn in sein Bettchen, winzig und verloren sah er da aus, deckte ihn mit einer dünnen Decke zu und betrachtete ihn. Etwas stach in ihrem Rücken und machte sie unruhig. Auf dem Zettel an der Tür schienen viele Wörter zu stehen, zu viele Wörter. Sie beugte sich zu Adam, streichelte seinen warmen Kopf, seufzte, ging zurück zur Tür und las:
    Die Hotelleitung erwartet von Dir, dass Du die Ruhe der anderen Bewohner respektierst.
    Merke Dir: Die Gastwirtin gehört allein dem Besitzer des Hotels, Deine Nutzung ihres Körpers beschränkt sich auf den oberen Teil!
    Die Hotelleitung erwartet von ihren Gästen, das Hotel bei Erreichen des achtzehnten Lebensjahres zu verlassen!
    Und so ging es immer weiter.
    Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
    Plötzlich hatte sie keine Kraft mehr für Ilan und seine Witze. Sie riss den Zettel ab und zerknüllte ihn energisch.
    Hat dich das geärgert, fragte Ilan, der plötzlich eintrat, zerknirscht, ich dachte einfach … Ist auch egal. War wohl daneben. Willst du was trinken?
    Ich will schlafen.
    Und er?
    Adam? Was ist mit ihm?
    Lassen wir ihn einfach allein hier

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