Eine Frau flieht vor einer Nachricht
Verdächtigungen quälten, ob er nicht doch in der Gefangenschaft Informationen preisgegeben hatte. Alles war ihm gleichgültig, er war völlig willenlos, und trotzdem brauchte er sie und Ilan auch in den Tiefen seiner Abwesenheit wie ein Baby, und nicht nur wegen der vielen medizinischen und bürokratischen Komplikationen, die sich aus seiner Situation ergaben und um die sich niemand anders kümmern konnte: Seine leere, ausgehöhlte Existenz sog ununterbrochen an ihnen, so hatte sie es damals empfunden, er saugte alle Vitalität aus ihnen heraus. Ohne etwas zu tun, machte er sie zu leeren Hüllen, so wie er selbst eine war.
Adams Geburt, sagt sie – sie sitzen nebeneinander in einem felsigen Versteck über dem Tal, um sie herum ein gelbes Meer von Akazien und Dornginster, deren Blüte die Bienen um den Verstand bringt. Die mit Flechten überzogenen Felsen glänzen in der Sonne rot und leuchtend violett, und Ora ist klar, dass sie mit ihm leichter über Adam reden kann, sogar von Adams Geburt kann sie ihm erzählen und scheinbar aus der Ferne anfangen – mit ihm hatte ich eine schwere Geburt, schwer und lang. Ich war drei Tage im Hadassa-Krankenhaus, andere Frauen kamen, gebaren und gingen wieder, aber ich lag da wie ein Stein. Ilan und ich lachten: Selbst Frauen, die unfruchtbar waren, gebaren in diesen Tagen, und nur ich lag noch da und wartete. Jeder auszubildende Arzt hatte mich schon untersucht, in mich reingeschaut, mich gemessen. In regelmäßigen Abständen fanden um mich herum Ärztekonsilien statt, und die ganze Zeit stritten sie sich über meinen Kopf hinweg, ob man »sie« an den Wehentropf hängen sollte oder nicht, wie »sie« auf dies oder das reagieren würde …
Sie rieten mir herumzulaufen, spazieren zu gehen, Bewegung würde die Geburt beschleunigen, und Ilan und ich zogen zwei-, dreimal am Tag zusammen los. Ich im Morgenrock von Hadassa und mit Walfischbauch, so gingen wir Arm in Arm und redeten kaum. Das war angenehm. Wir fühlten uns zusammen gut, dachte ich zumindest.
Aus der Ferne anfangen, lächelt sie im Stillen und erinnert sich, wie Avram in der ersten Nacht, als sie sich kennenlernten, beide fast noch Kinder, im Dunkeln in großen Kreisen durch ihr Zimmer auf der Isolierstation gesegelt war, ihr mal näher kam, sich dann wieder entfernte, als übe er Routen der Annäherung und des Rückzugs.
Nach der Geburt hat Ilan uns aus dem Krankenhaus abgeholt und uns im Mini nach Hause gebracht, erinnerst du dich an den, meine Eltern hatten ihn mir gekauft, als ich mit dem Studium anfing. Da warst du schon in der Reha, und ich habe dich manchmal in Tel Aviv herumgefahren.
Sie wirft ihm einen Blick von der Seite zu und wartet, doch selbst wenn er sich erinnert, lässt er sich nichts anmerken, als hätten diese endlosen seltsamen Fahrten, die er damals brauchte – »um zu glauben«, wie er kurz angebunden erklärt hatte –, nie stattgefunden. Stundenlange Fahrten, immer im Kreis, Straßen, Gassen, Plätze, Menschen, Menschen. Und hinter seinen zusammengezogenen Augenbrauen Sorge und Zweifel. Die Stadt überschlug sich geradezu, Avram zu überzeugen, dass sie da war, dass sie wirklich existierte.
Wir haben Adam in einen gut gepolsterten Babysitz gelegt, und Ilan fuhr sehr vorsichtig. Die ganze Rückfahrt hat er geschwiegen. Aber ich redete ununterbrochen, ich war wie auf Wolken, ich weiß noch, wie glücklich ich war, und stolz und sicher, dass ab jetzt alles mit uns richtig laufen würde, und er schwieg. Am Anfang dachte ich noch, er konzentriere sich auf die Straße.
Du musst verstehen, ich hatte das Gefühl, dass sich in dem Moment, in dem Adam zur Welt kam, die ganze Welt verändert hatte. Alles sah vielleicht noch gleich aus, aber ich wusste, dass alles schon anders war, lach nicht – zu jedem Ding und zu jedem Menschen auf der Welt war eine neue Dimension hinzugekommen.
Ich habe nicht gelacht, denkt Avram und lässt den Kopf nach hinten fallen. Mit aller Kraft versucht er, sich die drei in dem kleinen Auto vorzustellen. Er versucht auch, sich zu erinnern, wo er damals gewesen ist, als Ora und Ilan Adam bekamen. Lach nicht, hat sie zu ihm gesagt. Nichts liegt ihm in diesem Moment ferner, als zu lachen.
Ich erinnere mich, ich habe auf die Straße geschaut und gedacht, ihr dummen Leute, seid ihr denn blind, seht ihr denn nicht, dass ab jetztalles anders sein wird. Doch Ilan konnte ich das nicht sagen, ich spürte schon sein Schweigen, und dann verstummte auch ich. Plötzlich kriegten
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