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Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Titel: Eine Frau flieht vor einer Nachricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grossman
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Welt, brüllte Ilan, und dort sitzt ein lebender Toter. Und das Kind hätte seines sein können, und auch du hättest seine Frau sein können, wenn nur …
    Und dann wärst wahrscheinlich du der lebende Tote gewesen, sagte sie.
    Weißt du, was?
    Sie wusste.
    Ist das schwer für dich? fragt Ora Avram mit erstickter Stimme.
    Ich höre zu, sagt er kurz. Seine Kiefer zerhacken die Wörter in kurze Silben.
    Denn wenn dir das zu schwer ist …
    Ora, sagt er, hebt den Kopf zu ihr, und sein Gesicht ist wie von grober Hand zerdrückt: Endlich höre ich von draußen das, was ich all die Jahre bloß in meinem Kopf gehört habe.
    Sie möchte ihn anfassen, möchte ihn erden. Sie traut sich nicht. Weißt du, sagt sie, merkwürdig, aber für mich ist es genauso.

    Sie hatte schon keine Kraft mehr gehabt und war aufs Sofa gesunken. Ilan kam, stellte sich vor sie und sagte, er müsse gehn.
    Wohin?
    Weiß ich nicht, hier kann ich nicht bleiben.
    Jetzt?
    Er war plötzlich sehr groß, erzählt sie Avram, plötzlich streckte er sich immer weiter nach oben, es sah aus, als stellten sich an seinem ganzen Körper die Haare auf, und seine Augen glänzten. Sie fragte, duwillst gehn und mich mit ihm alleinlassen? Und er sagte, ich tu hier nicht gut, ich vergifte die Luft, ich hasse mich hier. Ich hasse sogar dich. Wenn ich dich so strotzend sehe, kann ich dich einfach nicht ertragen.
    Und Adam kann ich nicht lieben, fügte er später hinzu, ich schaff es nicht, ihn zu lieben. Da ist eine Glaswand zwischen uns. Ich fühl ihn nicht, ich riech ihn nicht. Lass mich gehn.
    Sie schwieg.
    Vielleicht, wenn ich ein paar Tage in Ruhe nachdenke, vielleicht kann ich dann zurückkommen. Jetzt muss ich allein sein, Ora, gib mir eine Woche allein.
    Und wie soll ich hier zurechtkommen? Wie stellst du dir das vor?
    Ich werd dir helfen, du brauchst dich um nichts zu kümmern, ich ruf dich jeden Tag an. Ich such dir eine Hilfe, eine Kinderfrau, einen Babysitter, du kannst völlig frei sein, kannst zurück an die Uni, Arbeit suchen, was du willst, nur lass mich jetzt gehn, es ist nicht gut, wenn ich länger hier bleibe, nicht mal zehn Minuten.
    Aber wann hast du dir das alles überlegt, murmelte Ora dumpf, wir waren doch die ganze Zeit zusammen.
    Ilan sprach schnell, organisierte im Handumdrehen eine strahlende Zukunft für sie. Ich habe richtig zusehen können, erzählt sie Avram, wie bei ihm dieser Mechanismus ausgelöst wurde, kennst du das? Diese Zahnräder in den Augen. Sie hatte Ilan angeschaut und dachte, so klug er auch ist, verstehen tut er nichts, und dass sie mit ihm einen großen Fehler gemacht hatte; und sie versuchte sich vorzustellen, was ihre Eltern sagen würden, wie deren Welt zusammenbrechen würde.
    Und ich dachte, sagt sie zu Avram, wie sie mich immer vor dir gewarnt und ihn vergöttert haben, vor allem meine Mutter, die wohl all die Jahre nicht verstanden hat, was einer wie er überhaupt an mir findet.
    Avram lächelte im Versteck hinter seinen Armen, »Hochstapler« hatte ihre Mutter ihn genannt, und Ora hatte es ihm übersetzt: einer mit Löchern in den Taschen, der sich für Rothschild hält.
    Ich habe auf dem Sofa gelegen und mir überlegt, wie ich jetzt allein mit Adam zurechtkommen soll. Du musst dir das vorstellen: Ich konnte mich kaum bewegen, nur mit Not aus dem Haus gehen, die Augen offen halten. Und ich dachte, das kann alles nicht sein, das ist nur einAlbtraum, gleich wache ich auf. Und die ganze Zeit hab ich auch gedacht, dass ich Ilan im Grunde gut versteh, und was ich darum geben würde, auch fliehen zu können, vor mir selbst, vor Adam und besonders vor dir. Vor all diesen Komplikationen. Und ich dachte, armer Adam, er schläft da ganz ruhig und hat keine Ahnung, dass sein Leben schon im Arsch ist.
    Ich lag da, sagt Ora, mit dem offenen Morgenmantel, so wie ich bin, mir war alles egal. Ich hörte, wie Ilan sich schnell im Schlafzimmer bewegte. Du kennst das ja, wie er sich bewegt, wenn er pragmatisch vorgeht – beide lächeln sich an, ein Blitzen in den Augen, ein winziger Faden der Verbindung –, ich hörte ihn Schränke, Türen und Schubladen aufmachen. Er packte, und ich lag da und dachte, wie wir unser ganzes Leben lang für einen Moment bezahlen werden, für einen idiotischen Zufall, für gar nichts.
    Beide, Avram und sie, wenden die Blicke voneinander ab.
    Nimm eine Mütze, hatten Ilan und Avram ihr durchs Militärtelefon aus dem Camp im Sinai zugegrölt, und tu zwei Zettelchen rein, zwei gleiche. Nein, nein, lachten

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