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Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Titel: Eine Frau flieht vor einer Nachricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grossman
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könne. Er würde es bezahlen, vom Sicherheitsministerium ein Darlehen nehmen, keiner brauche etwas davon zu erfahren. Sie weigerte sich, das auch nur anzuhören, und sowieso sei es dafür schon zu spät, murmelte sie – unendlich gekränkt –, und er sagte, wenn es so ist, wolle er keinen Kontakt mit ihr. Sie versuchte zu diskutieren, erinnerte ihn daran, was sie einander bedeuteten. Er stand vor ihr. Sein Gesicht Stein. Seinen Blick machte er irgendwo über ihrem Kopf fest, damit er bloß nicht auf ihren Bauchfiel. Ihr wurde schwindlig. Sie hielt sich kaum auf den Beinen. Sie spürte, wenn er sich ihr noch einen Moment länger so entfremdete, würde ihr Körper den Embryo von allein abstoßen. Sie versuchte, seine Hand zu nehmen und auf ihren Bauch zu legen. Er tat einen entsetzlichen Schrei. Für einen Moment waren seine Augen rasend vor Wut, vor unverhohlenem Hass. Dann öffnete er die Tür und warf sie raus, beinah mit Gewalt schob er sie hinaus und ließ sie da dreizehn Jahre lang stehen – so kam es ihr vor. Und dann, kurz vor Ofers Bar-Mizwa, rief er eines Abends aus heiterem Himmel an, erklärte nichts, entschuldigte sich auch nicht, und schlug mit seiner brummenden, mürrischen Stimme vor, dass sie sich mal in Tel Aviv treffen sollten.
    Bei dem Treffen verbat er ihr, etwas von Ofer zu erzählen, oder von Adam oder Ilan. Das Fotoalbum, das sie ihm in den Wochen vor dem Treffen zusammengestellt hatte, mit ausgewählten Bilden von Ofer und der ganzen Familie über diese dreizehn Jahre, blieb in ihrer Tasche. Avram erzählte ihr ausführlich von Fischern und von allen möglichen Gestalten, die er in Tel Aviv am Strand traf, von dem Pub, in dem er jetzt arbeitete, von einem Action-Film, den er schon viermal gesehen hatte. Von den Schlaftabletten, von denen er versuche loszukommen. Er hielt ihr einen Vortrag über die gesellschaftlichen Bedeutungen und die christlichen, vor allem katholischen Anspielungen in verschiedenen Computerspielen. Sie saß da, starrte auf seinen Mund, aus dem pausenlos Wörter quollen, deren Gehalt aber, so ihr Eindruck, schon längst zerronnen war. Für ein paar Augenblicke hatte sie den Eindruck, er wolle ihr absichtlich und aufwendig beweisen, dass sie von ihm nichts mehr zu erwarten habe. So saßen sie sich fast zwei Stunden an einem Tisch gegenüber, in einem lauten, hässlichen Café. Immer wieder von neuem trat sie aus sich heraus und betrachtete sich und ihn: Sie meinte, sie sähen aus wie Winston und Julia, die Helden von 1984 , als sie sich das zweite Mal treffen, nach der Gehirnwäsche und nachdem man sie gezwungen hat, einander zu betrügen. In einem bestimmten Moment, ohne erkennbaren Grund, war er dann aufgestanden, hatte sich förmlich von ihr verabschiedet und war gegangen. Sie hatte angenommen, sie werde ihn weitere dreizehn Jahre nicht sehen, doch etwa alle halbe Jahre bestellte er sie zu weiteren Treffen. Genauso nichtssagend und deprimierend. Bis Ofer eingezogen wurde.Da teilte er ihr mit, er könne, bis Ofer die Armee hinter sich habe, nicht mit ihr in Kontakt sein.
    Doch am Tag nachdem sie ihm erzählt hatte, dass sie schwanger sei, am Tag nachdem er sie aus seiner Wohnung und aus seinem Leben rausschmiss, hatte Ora ein weites weißes Leinenkleid angezogen und war hinaus auf den Balkon in Zur Hadassa getreten, hatte sich dort ein paar Augenblicke hingestellt und in all ihrer Pracht gezeigt, die wohl nur sie selbst wahrnahm; sogar ihre Mutter hatte noch nichts gemerkt. Sie wusste nicht, ob Ilan in diesem Moment im Schuppen war, doch sie hatte den Eindruck, Augen aus seiner Richtung musterten sie.
    Um neun Uhr abends, nachdem sie Adam schlafen gelegt hatte, klopfte sie an die Tür des Schuppens, und Ilan machte sofort auf. Er trug das grüne Trikothemd, das sie mochte, und helle Jeans, die sie ihm einmal gekauft hatte. Er war barfuß. Seine nackten, sehnigen Füße ließen es in ihr blitzen. Hinter seinem Rücken sah sie ein erstaunlich mönchisch eingerichtetes Zimmer. Ein Feldbett, ein Tisch, ein Stuhl, eine Lampe. An den Wänden Bücherborde. Ilan schaute ihr in die Augen und senkte sofort den Blick auf ihren Bauch, dem noch nichts anzusehen war, und seine Kopfhaut zog sich nach hinten.
    Das ist von Avram, sagte sie und meinte, sie klinge, als überreiche sie ihm ein Geschenk und verkünde, wer es ihm gemacht hatte. Dann überlegte sie sich, dass es vielleicht wirklich ein Geschenk war. Fassungslos stand er vor ihr, völlig durcheinander, und kraft der neuen

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