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Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Titel: Eine Frau flieht vor einer Nachricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grossman
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starken Hände, sein raubtierhafter Körper, sie zog ihn an sich, und auf dem durchhängenden Feldbett schliefen sie miteinander, darauf bedacht, dem kleinen Fischchen, das in ihr schwamm, nichts anzutun. Ilan mit seinem süßen Geruch und diesem ihr gegenüber so eindeutigen Körper wollte sie – wie sehr hatte sie diesen sich aufbäumendenWillen begehrt, und sie antwortete ihm mit einer Brandung, von der sie nicht glaubte, dass schwangere Frauen ihrer fähig waren.
    Gegen Morgen gingen sie aneinandergeschmiegt durch den Garten ins Haus, Ora sah, wie der Feigenbaum und die Silbereiche sich vor ihnen verneigten, zusammen stiegen sie die krummen Betonstufen hinauf, und Ilan betrat das Haus; er ließ sie los, ging leise durch die Räume mit seinen schnellen Katzenbewegungen, warf einen Blick auf Adam im Kinderzimmer und kam sofort wieder raus, zu schnell, Ora wusste, der Weg war noch weit. Zusammen machten sie sich Frühstück und gingen, in Decken gehüllt, auf den Balkon, um den Sonnenaufgang zu sehen. Keiner auf der Welt wird verstehen, was hier passiert, dachte Ora, nur wir beide, und das ist der Beweis, dass es so richtig ist.
    Am Morgen wachte Adam auf, sah Ilan im Haus und fragte Ora: Ist das der Mann aus dem Schuppen? Und Ilan sagte, ja, und du bist der Adam, und reichte ihm die Hand. Doch Adam drängte sich an Ora, versteckte sein Gesicht in ihrem Morgenmantel und sagte: Ich bin dir böse. Warum? fragte Ilan. Dass du nicht gekommen bist, sagte Adam, und Ilan sagte, ich war sehr dumm, aber jetzt bin ich gekommen. Adam fragte, und nachher gehst du wieder? Ilan sagte, nein, ich bleibe hier, für immer. Adam überlegte einen langen Augenblick und schaute hilfesuchend zu Ora, sie lächelte ihm Mut zu, und er sagte, und du wirst mein Papa sein? Ilan sagte, ja, Adam grübelte weiter, sein Gesicht verzerrte sich bei der Anstrengung, zu verstehen, und schließlich stieß er einen Seufzer aus, bei dem Ora zusammenzuckte, den Seufzer eines deprimierten alten Mannes, und sagte: Dann mach mir einen Kakao.
    Am Nachmittag fuhr Ilan zu Avram nach Tel Aviv und kehrte erst nach einem Jahr zurück, so zumindest kam es ihr vor. Niedergeschlagen und grau umarmte er sie mit seinem ganzen Körper und murmelte, es werde schon gutgehen, vielleicht, oder eben auch nicht. Und sie fragte, was gewesen war, und er sagte, frag nicht, alles ist gewesen, wir sind alle nur denkbaren Stationen durchgegangen – und unter dem Strich kam heraus: Er will uns nicht in seinem Leben haben, dich nicht und mich nicht. Unsere Geschichte mit ihm ist zu Ende.
    Sie fragte, ob es überhaupt eine Chance gebe, Avram wenigstens für ein paar Minuten zu treffen, um sich zumindest richtig zu verabschieden.Keine Chance, sagte Ilan mit einer Ungeduld in der Stimme, die ihr nicht gefiel: Er will keinerlei Kontakt mit dem Leben, sagt er. Was? fragte Ora, er spricht davon, sich umzubringen? Das glaube ich nicht, sagte Ilan, er möchte bloß keinen Kontakt mit dem Leben. Aber wie ist das möglich? schrie sie, sich einfach umzudrehen und alles auszuwischen? Und Ilan sagte, verstehst du das wirklich nicht? Ich kann es nämlich verstehen, ich versteh ihn verdammt gut. Er brummte Ora an, als ob sie ihm etwas schulde oder als ob er Avram beneide, der jetzt eine klare Ausrede hatte, den Kontakt mit Menschen und mit dem Leben überhaupt abzuschneiden. Warum bist du dann zurückgekommen? Warum willst du überhaupt zurück? Er zuckte mit den Schultern und zeigte mit den Augen auf ihren Bauch, und sie explodierte und sagte nichts, denn was gab es noch zu sagen?
    Abends gingen sie ins Bett, er auf seiner, sie auf ihrer Seite, als wären nicht Jahre ohne diese Routine, ohne diese vertrauten Abläufe vergangen, das Duschen, das gemeinsame Zähneputzen, seine Geräusche auf dem Klo, wie er sich mit dem Rücken zu ihr aufs Bett setzte, sich bedächtig seine Trainingshose anzog, sich dann hinlegte und sich der ganzen Länge nach mit einem Genuss räkelte, der sie störte. Ora wartete, bis er sich beruhigt hatte, und fragte mit der gelassensten Stimme, deren sie fähig war, ob er bloß Avrams wegen zu ihr zurückgekommen sei – dabei zeigte sie mit dem Kinn auf ihren Bauch – oder auch weil er sie liebe. Er sagte, nicht einen Tag habe ich aufgehört, dich zu lieben. Wie kann man dich nicht lieben. Und sie, Tatsache ist, man kann. Avram zum Beispiel liebt mich nicht mehr, und auch ich liebe mich nicht wirklich. Ilan wollte sie wohl fragen, was sie ihm gegenüber empfinde, aber er

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