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Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Titel: Eine Frau flieht vor einer Nachricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grossman
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nördlichen Felsklippe von Babel , hatte er ihm halb lachend seine Methode gestanden und bewusst das Kind, das er damals gewesen war, lächerlich gemacht, und er hatte gespürt, wie diese Methode Avram gleichzeitig anwiderte und anzog …
    Avram hatte ihn angeschaut, als offenbare sich ihm gerade besonders Finsteres, was er noch nicht kannte, nicht nur bei Ilan, sondern beim Menschen und den Möglichkeiten, die ihm offenstanden schlechthin. Er hatte ihn detailliert über diese Methode befragt, wollte alle Feinheiten des Mechanismus erfahren, wie Ilan auf die Idee gekommen war, wie sich jede Phase des Prozesses anfühlte. Und nachdem er so eifrig und erbarmungslos geforscht hatte, zogen sich seineAugenbrauen nach oben, und er lächelte: Du weißt, was dann die nächste Phase ist, ja?
    Ilan hatte ihn erschöpft angelächelt und gefragt: Nein, was ist die nächste Phase?
    Nachdem du dich in Quadrate unterteilt hast, gehst du in keins der Quadrate mehr rein! und Avram fügte bewundernd, vielleicht auch etwas spöttisch hinzu: Ich kenne keine elegantere Art, sich das Leben zu nehmen! Ohne dass irgendeiner was merkt!

    Dann klingelte das Feldtelefon der Stabsleitung, und die legendäre Stimme – sie stellte sich nicht vor, was auch nicht nötig war – verkündete den Soldaten, man werde mit einer ganzen Division in ihr Gebiet ausrücken, um alle in den Posten eingeschlossenen Kameraden zu retten. Die Leute schauten sich an, standen langsam auf, fingen an, sich zu strecken, stampften mit den Beinen, und das Blut begann wieder in den Gliedern zu fließen. Arik kommt, sagten die Soldaten zueinander und probierten den Geschmack dieser Worte. Von Minute zu Minute wurden ihre Bewegungen schneller, sie kehrten in ihre Stellungen zurück. Ilan erinnerte sich, dass auch er selbst sich und anderen gesagt hatte, Ariel Scharon werde kommen, Arik werde es den Ägyptern zeigen. Arik wird Avram und mich retten. Wir werden noch zusammensitzen und über das alles unsere Witze reißen.
    Denn du würdest sowieso nie im Leben mir gehören, du gehörst Ilan, ertönte Avrams Stimme in dem Moment, als Ilan sich die Kopfhörer wieder aufsetzte, und ich hab mich dir so idiotisch verschrieben, schon als ich dich das erste Mal sah, und alle anderen Mädchen würden immer nur ein billiger und zufälliger Ersatz sein, das war mir von Anfang an klar, worauf warte ich also noch? Die Leute machen so ein Brimborium um ihr Leben … Was mich jetzt beunruhigt, ist nur diese thermische Unbehaglichkeit, weißt du, diese verfluchten Flammenwerfer. Und, ehrlich, Schwarma hab ich nie gemocht, Ora. Ich will nicht sterben.
    Er lachte, er weinte, er redete zu Ora, beschrieb ihren Körper und wie sie sich lieben. Und natürlich war er in seiner Phantasie gewagter, als er es je mit ihr gewesen war. Ilan hatte ihm zugehört, und am Morgen vor Ofers Geburt hatte er Ora zum ersten und einzigen Mal davonerzählt. Sie hatte mit dem Rücken zu ihm gelegen und sich nicht gerührt. Er hatte sich an sie gedrückt und Avram zitiert, und sie hatte aus seinem Mund Avram gehört. Er sagte, Avram habe so halluziniert. Sie sagte kein Wort. Er hatte gewartet, aber nichts gefragt. Sie hatte geschwiegen. Ilan hatte ihr die Unterhose ausgezogen. Sie hatte sich nicht gerührt, sich auch nicht gewehrt, höchstens etwas zögernd seinen Namen gesagt. Danach war er mit seinem ganzen Nachdruck in ihr. Hätte er sie gefragt, ob das Miteinanderschlafen nur eine Halluzination von Avram gewesen sei, hätte sie ihm die Wahrheit gesagt. Aber er hatte nicht gefragt. Er war in sie eingedrungen, und zuerst hatte sie nicht reagiert. Sie nahm ihn in sich auf. Ihre Sinne waren alarmiert, warnten sie, es nicht zu tun, doch sie spürte, ihr Körper wollte ihn hereinlassen. Sie dachte, sie müsse das Kind in ihrem Bauch schützen, aber ihr Körper antwortete ihm wild, ihr Körper hungerte nach ihm. Seine Arme und seine Lenden hielten sie umschlossen. Sein Mund glühte, er biss sie in den Nacken, stieß fast durch sie hindurch, auch Jahre später hatte sie kaum glauben können, dass sie das getan hatte. Ihr Bauch warf sich vor ihr hin und her, und das Kind, das Avram in sie gepflanzt hatte, lag in ihr, ließ sich schütteln und erwartete seine Geburt, doch für ein paar Minuten waren Ilan und sie bloß ein Mann und eine Frau, ganz in eigener Sache …
    Damit das Kind geboren werden konnte, so empfand sie es damals im Nebel ihrer Selbstberauschung, damit Ilan sein Vater sein konnte, damit sie und Ilan

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