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Eine Frau für Caracas

Eine Frau für Caracas

Titel: Eine Frau für Caracas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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kompliziert, noch komplizierter, als es schon für gewöhnlich war. Die Barfrau war eine gute Zuhörerin, eine gelernte Zuhörerin, das brachte der Beruf so mit sich... Oder sollte man auf den Wodka verzichten und in das Zimmer hinaufgehen? In dieses komfortable Zimmer, dessen Sesselecke und englische Jagdstiche — Parforcereiter in roten Röcken und der läutenden Hundemeute voran — nicht darüber hinwegtäuschen konnten, daß das Hauptmöbel des Raums eben doch das Bett war, das breite Bett, in dem er sich stundenlang herumwälzen würde, hellwach und von hundert Fragen gepeinigt, die niemand beantworten konnte...
    Und dann fiel ihm die Flasche Black and White ein, die draußen traurig und kalt im Eisschrank stand und auf ihn wartete.
    Eine Viertelstunde später sperrte er in Gräfelfing das Gartentor auf und fuhr den Wagen auf dem knirschenden Kiesweg dicht ans Haus heran, damit Lothar morgen früh daran vorbeikam. Das Haus war dunkel. Natürlich war es um diese Zeit dunkel. Die Uhr ging auf zwölf. Wenn er irgendwo Schlaf finden würde, dann nur hier, in einem Zimmer, das einen persönlich ansprach, das den eigenen Nestgeruch hatte, in dem man sich nicht ganz so gottverlassen allein fühlte wie in jenem anderen bezahlten Raum. Hier atmete das Haus mit, seine schläfrige Dunkelheit wirkte beruhigend, und das Dach, das man in der Mansarde schräg aufsteigen sah, gab ein Gefühl der Geborgenheit.
    Da saß er auf dem Bettrand, hatte die kleine warme Leselampe angeknipst und streifte die Schuhe von den Füßen. Severin... j Der Teufel soll den Burschen und sein verdammtes Geschwätz holen! Rufen Sie Frankfurt an... Er hatte Frankfurt angerufen. Und Severin hatte die Wahrheit gesagt. Dr. Eyssing war nicht verreist. Und weiter? Fahren Sie nach Frankfurt, und wenn Sie in Frankfurt gewesen sind, werden Sie das dringende Bedürfnis haben, mich aufzusuchen... Was steckte dahinter? Was war es, was ihn in Frankfurt erwartete?
    »Ich fahre!« sagte er laut, »jawohl, ich fahre! Und ob ich fahren werde!! Ich will wissen, was dahintersteckt! Ich will wissen, was dieser Kerl damit für Absichten verfolgt. Morgen früh fahre ich! Morgen früh!«
    Jemand klopfte leise an die Wand, neben der sein Bett stand. Plötzlich hörte er den Nachhall seiner eigenen Stimme und wußte, daß er Christine aufgeweckt hatte.
    Er klopfte zurück, ganz leicht, nur mit der Kuppe des Zeigefingers, und das Signal kam ebenso leise zurück.
    »Entschuldigung, Christine...«, sagte er halblaut.
    »Mit wem reden Sie da?« kam es zurück. Die Mauer war verdammt dünn, eigentlich unanständig dünn...
    »Mit mir selbst...«
    »Gute Nacht und gute Reise!« kam es durch die Wand, »wann wollen Sie geweckt werden?«
    »Wann stehen Sie auf, Christine?«
    »Um halb sieben...«
    »Dann wecken Sie mich, bitte, um sieben. Haben Sie mich verstanden?«
    »Ja, ich soll Sie um sieben Uhr wecken...«
    Er angelte nach seinen Hausschuhen, zog die Jacke aus und schlüpfte in den Morgenmantel. Das Fenster stand offen, die Zentralheizung war ausgeschaltet, und es war kühl im Zimmer.
    »Hallo, Christine!« flüsterte er dicht an der Mauer, »ist eigentlich noch etwas in der Flasche?«
    »Na hören Sie, Herr Gisevius!« flüsterte sie empört zurück, »denken Sie etwa, daß ich an Ihren Whisky ‘rangegangen bin?«
    »Ich kann nicht schlafen«, sagte er, »und Sie? Können Sie schlafen?«
    Er wartete auf eine Antwort, aber drüben blieb alles stumm.
    »Es tut mir leid, Sie noch einmal zu stören, Christine, aber ich gehe jetzt in die Küche. Mir fällt hier der Deckel auf den Kopf.«
    »Pst«, machte sie, »Sie werden noch das ganze Haus auf wecken!«
    »Ich gehe jetzt!« flüsterte er hinüber, »obwohl es mir allein gar keinen Spaß macht... Möchten Sie mir nicht ein bißchen Gesellschaft leisten?«
    Keine Antwort, nur ein leises Rauschen, als drehe sich Christine auf die andere Seite. Werner kannte den Weg so gut, daß er darauf verzichten konnte, die Treppenbeleuchtung einzuschalten. Er schlich lautlos zur Diele hinunter. Irgendwo hörte er jemand schnarchen. Da er nicht annehmen wollte, daß Gerda so geräuschvoll schlief, mußte es wohl Dyrenhoff sein. Immerhin übertönte diese Musik alle anderen Geräusche im Haus...
    Er öffnete die Küchentür und schaltete das Licht erst ein, als er sie wieder hinter sich geschlossen hatte. Die Flasche im Eisschrank War noch dreiviertel voll, und hinter ihr blinkte tröstlich ein recht anständiger Cognac, den Dyrenhoff

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