Eine Frau für Caracas
einen hellen, kurzen Trenchcoat, die grauen Hosen hatten scharfe Bügelfalten, aber sie waren zu weit und hatten zu schmale Umschläge, um modern zu sein. Doch er wirkte gepflegt und gut angezogen, und man konnte sicher sein, daß Severin, wo er auch auftreten mochte, als Herr behandelt würde...
»Ich meine, ich war am Telefon ziemlich deutlich, Herr Severin«, sagte Werner ruhig und ließ den Wagenschlüssel an dem Metallring um den Zeigefinger wirbeln, »aber wenn Sie es durchaus noch einmal hören wollen, dann lassen Sie sich sagen, daß ich mir nicht denken kann, was wir beide miteinander zu tun oder zu verhandeln haben. Oder galt diese Begegnung gar nicht mir, sondern Ihrer ehemaligen Frau?«
Er machte eine kurze Pause und wurde schärfer: »In diesem Falle kann ich Ihnen in ihrem Auftrag erklären, daß sie jede Beziehung zu Ihnen abgebrochen hat und Sie keinesfalls zu sehen oder gar zu sprechen wünscht!«
Er hatte seinen Hut im Wagen gelassen, als er Anita ins Haus begleitete, der feine Sprühregen näßte ihm das Gesicht, und er öffnete mit einer ungeduldig wirkenden Bewegung den Wagenschlag.
Severin streckte die Hand vor, er trug helle Handschuhe aus genarbtem Schweinsleder und legte einen Finger auf das schwarze Cabrioverdeck; es sah aus, als bäte er nur noch um eine Sekunde Geduld...
»Sie sind einen halben Kopf größer als ich, Herr Gisevius, und Sie sehen aus, als könnten Sie mich mit der linken Hand fertig machen...«
»Was soll das!« fragte Werner gereizt, »ich bin kein Raufbold! Und ich habe nicht die Absicht, Sie fertig zu machen!«
»Ich habe es auch nicht angenommen. Ich wollte Ihnen damit nur sagen: was Sie auch tun mögen, Sie werden es nicht verhindern können, daß ich mit meiner ehemaligen Frau spreche.«
»Sie sprechen von meiner zukünftigen Frau, Herr Severin!« sagte Werner kühl, aber er spürte einen rasenden Zorn in sich aufsteigen; er galt Severin und er galt diesem verrückten Gespräch, in dem sie sich um Anita als >Ehemalige< und >Zukünftige< wie zwei Hunde anknurrten, die sich um ein Stück Fleisch balgen.
»Ich persönlich habe nichts dagegen einzuwenden, daß Sie Frau Eyssing sprechen. Ich habe ihr nach Ihrem Anruf sogar den Vorschlag gemacht, einer Unterredung mit Ihnen nicht aus dem Wege zu gehen — allerdings in meiner Gegenwart!«
»Ich habe gegen Ihre Anwesenheit nichts einzuwenden. Ich möchte aber annehmen, daß meine ehemalige Frau damit nicht einverstanden war.«
»Nein, meine zukünftige Frau hat meinen Vorschlag zurückgewiesen... Und nun hören Sie mein letztes Wort: Sie haben keine Chance, aber auch nicht die allergeringste, Anita zurückzugewinnen. Und Sie hätten diese Chance auch nicht, wenn ich nicht vorhanden wäre. Es ist mir peinlich, es Ihnen zu sagen, aber ich glaube, diese Deutlichkeit ist notwendig. Anita verabscheut Sie und denkt nur mit Entsetzen an die Ehe zurück, die Sie mit ihr geführt haben.«
»Hat sie Sie beauftragt, mir das zu sagen, Herr Gisevius?« fragte Severin höflich.
»Nein«, antwortete Werner grob, »aber ich möchte es ihr ersparen, das zu wiederholen, was ich Ihnen soeben erklärt habe.«
»Ich nehme den Abscheu und den Ekel zur Kenntnis«, sagte Severin unbewegt und gleichbleibend höflich, »trotzdem muß ich sie sprechen. Und ich werde sie sprechen.«
»Was, zum Teufel, wollen Sie noch von ihr?!« fragte Werner wütend und spürte, daß er langsam die Selbstbeherrschung verlor. Wenn dieser Kerl so weiter machte, konnte es tatsächlich noch passieren, daß er ihn nicht mit der linken Hand, sondern mit beiden erledigte.
»Sie soll mir eine Frage beantworten. Eine einzige Frage.... Aber ich muß diese Frage von Angesicht zu Angesicht an sie richten...«
»Ich habe keine Lust, hier länger im Regen herumzustehen!« unterbrach Werner ihn ungeduldig und wischte sich das nasse Gesicht mit seinem Taschentuch ab, »und ich habe auch keine Lust, mich mit Ihnen weiter zu unterhalten. Wenn Sie mir oder Frau Eyssing ein Rätsel aufgeben wollen, dann tun Sie das schriftlich! — Gute Nacht!« Er riß die Tür auf, daß sie scharf zurückschwang , bremste sie mit dem Knie ab und setzte sich hinters Steuer. Aber im gleichen Augenblick stand Severin neben ihm. Es sah mehr nach Zufall als nach Absicht aus, daß er sich gerade vor die halboffene Tür stellte, von der er mitgerissen worden wäre, sobald Werner anfuhr.
»Eine letzte Frage, Herr Gisevius — haben Sie bereits die Eltern Ihrer zukünftigen Frau
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